nicht schlafen bis zu den ersten vögeln, traumlos aufgerissen. dann aufwachen, wie zerschlagen, unter rädern zermahlen. kann mal jemand licht machen. bitte.
Monat: März 2013
erkennen
ein wenig überrascht bin ich schon, ob der resonanz auf den gestrigen beitrag. obwohl es sich doch bereits durch die letzten wochen und monate zog, das wissen und wiedererkennen überall. bei gesine vor drei wochen und daraufhin in den gesprächen mit acr, aber auch schon im november, durch meine flüchtig getwitterte bemerkung über die „versehentliche folter der kindheit“, die unter anderem von der kaltmamsell aufgegriffen wurde.
und jetzt in den kommentaren, in diesem zum beispiel. wie ich das kenne, erkenne, sofort: die durchwachten nächte, weil es anderes nicht gibt. die hoffnung auf das alleinsein dürfen als erwachsene. den totstellreflex im angesicht der freßfeinde, der beherrscht mich bis heute.
deshalb tue ich das, was ich gerade tue. für mich muß ich die alten geschichten nicht wiederholen, über zwanzig jahre habe ich kaum etwas anderes gemacht. (und mein dank gilt allen, die sich das haben anhören müssen oder wollen.) bis es mir selbst gereicht hat, endgültig. das erkennen aber, das wiedererkennen ist es wert. dieses thema, das so groß ist. und so wenig raum findet bislang.
ich atme jetzt aus und wieder ein und dann wieder aus. mit ein paar worten vermutlich.
welten bewegen (1)
gestern nacht versehentlich in einer doku über mutterliebe gelandet. stellen sie sich vor, sie können ihrer mutter nicht vertrauen, sagt da ein psychologe, sinngemäß, mit ernster miene. stellen sie sich außerdem vor, sie können auch ihrem vater nicht vertrauen. wem wollen sie dann überhaupt jemals im leben vertrauen?
keine ahnung, warum ich danach die halbe nacht nicht schlafe. ich muß mir das nicht vorstellen, ich weiß das. alles. ich muß mich nur erinnern. und ich muß etwas erklären, denen, die sich diesen zustand vielleicht tatsächlich vorzustellen versuchen. es handelt sich nicht um einen verlust. es ist einfach nur die welt, in die das kind hineingeboren ist. es kennt keine andere, also empfindet es kein manko. die gefangenschaft ist von grund auf normal, der mangel, von anfang an geübt, ist reine gewöhnung. das kind geht damit um, das ist alles. es lebt damit, weil es muß. oder weil es will.
so bin ich aufgewachsen. allein. was es zu lernen gab, habe ich gelernt. das denken und fühlen, der umgang mit beidem. das geht seinen weg wie von selbst, in großer enge wie in tiefer liebe. vermutlich, über letzteres weiß ich natürlich nichts. doch die erforschung der welt ist selbstverständlich, auch die meiner welt. die menschenleer war und gefährlich, wegen der menschen darin. es gibt fehler, die bei all dem passieren. es gibt immer fehler, das ist gut. menschen brauchen ihre fehler. kinder ganz besonders.
meine fehler waren weniger gut für mich. sie standen vor allem anderen zur freien verfügung, als anlaß für alle nur erdenklichen arten der mißhandlung. wie ich nachts die tapeten von der wand riß, weil ich damals schon nicht schlafen konnte. da war ich noch nicht in der schule. wie ich der zerstörung zuhörte, die ich anrichtete. das reißen und kratzen, zwanghaft. ein druckausgleich, denke ich heute. wie ich mir zusah dabei und es doch nicht stoppen konnte. das war verzweiflung. jede nacht aufs neue, ohne ausweg. am tag wurde ich dafür davor fixiert: was hast du dir dabei gedacht? ich wußte es nicht, auch im nachhinein nicht. woher denn?
später die strategien, um über die zeit zu kommen. ein tag nach dem anderen, mehr war nicht drin. das vermeiden und verstecken der eigenen existenz, die ständige selbstverleugnung. das abtauchen, unter der allgegenwärtigen vernichtung, die familie heißt, hindurch. vielleicht ist deshalb das atmen manchmal so schwer, so knapp. fehler machen gehört dazu, zurückweisung, schweigen und lügen zum beispiel. das läßt sich nicht vermeiden. und es wird aufgedeckt, aufgebauscht und kalt aufgetischt. wie ich nicht nach hause wollte nach der schule. weil ich die enge nicht ertragen konnte, den menschen dort nicht begegnen wollte. wie ich stunden durch straßen und über wiesen lief, um für mich zu sein. zu hause gab es keinen raum, keine tür hinter mir bis ich siebzehn war. wie ich freunde erfunden habe, schlecht erfunden, um meine verspätungen, mein ausweichen, mein flüchten, meine ständige angst zu verberben, zu begründen. wie ich davor fixiert wurde, jedesmal: wer einmal lügt!
alles ist lüge. es gibt kein richtig und kein falsch, falsch bin nur ich. das ist es, das muß es sein. und da heraus gibt es keinen weg, selbst wenn das kind ihn womöglich sucht. auch das ist verzweiflung, doch es ist nicht zwangsläufig eine suche nach liebe oder vertrauen. so etwas existiert nicht, diese welt ist eine grundlegend andere. sie ist bodenlos von anfang an. ein ständiges fallen und schweigen darüber.
wie ich angeschrien wurde, über jahre. kinder, die was wollen! wie ich eingesperrt war, in die ecke gedrängt, unter dem tisch verkrochen. stell dich nicht so an! wie ich beschimpft, gedemütigt und geschlagen wurde. was glaubst du, wer du bist! hunde werden mit größerer güte abgerichtet, das kann man heute im fernsehen lernen.
dennoch gibt es in dieser welt irgendwann eine gewißheit, die aus der eigenen existenz wächst. ein vertrauen in körper und geist, die trotz allem so leicht nicht aufhören. zu leben. an dem punkt irren die psychologen womöglich. hinter dem vertrauen in menschen liegt das weit größere vertrauen in die welt. in irgendeine, die sich den kindern öffnet. allen kindern, ohne ausnahme. kein kind ist ohne welt. und da immerhin hatte ich glück, denn meine war mir immer beweglich. und bunt, entgegen alle erwartung.
etwas drückt mich von hinten nieder, bis tief hinein ins denken. doch über die fiebertage habe ich offensichtlich vergessen, was das ist. ich glaube also, daß es so ungefähr sein muß, später, wenn ich alt bin, richtig alt. wo ich doch diesmal, erstmal nur krank war. wie eine große müdigkeit, die den himmel schwinden lässt. der erde zugeneigt sein, dem irdischen, mehr als jemals zuvor. asche zu asche.
dann ist es aber nur migräne, wie immer. morgen ist ein neuer tag, und ich bin noch jung. richtig jung.
fit bin ich immer noch nicht, aber so ganz und gar nicht. dabei haben die anstehenden terminierungen heute beinah nahtlos geklappt, mühselig schleppe ich mich nun da hindurch. mehr ist zum glück nicht zu tun, doch es ist einigermaßen gruselig. vor allem, die eigenen konzentrationsdefizite derart deutlich vor augen zu haben. alles dauert gefühlte drei mal so lang, und es kostet zehnmal soviel kraft. (zehn minuten oder so, und ich falle in die falle wie tot.)
dabei quietscht und jammert der blöde laptoplüfter den ganzen tag schon im sekundentakt. das nervt langsam, aber sowas von. ich vermag es gar nicht auszudrücken.
aber bald ist ja frühling, versprochen. draußen an den straßenlampen hängen übrigens gerade die eiszapfen.
das kreisen der dinge bei 39°
das wochenende, das eigentlich zum auskurieren gedacht war, de facto dafür genutzt, um diesmal so richtig krank zu werden. soviel steht fest, also mal was ganz neues. mit fieber sogar. zwischen keuchen und japsen, frieren und schwitzen immer wieder diese bilder von früher. die dinge, die so schön waren.
gegenstände meine ich: holz und leim, blechspielzeug, stifte und papier. das gummi in den federmäppchen, reißverschlüsse, gute und schlechte, lederranzen und bonbonpapiere. die kleinen kugeln in den füllerpatronen. der alte zirkel meines vaters, den habe ich immer noch.
danach erst kamen die worte. zirkel zum beispiel. zirkel. was für ein wort, passgenau und schön.
autarkie
über nacht fast zwei kilo ausgeschwitzt. fieber ist besser als sauna, das merk ich mir. alle anstehenden telefonate durchgestanden, das eine, angenehm persönliche besonders gern. das letzte, ganz und gar persönliche folgt noch. außerdem hätte ich jetzt gern etwas asiatisches mit huhn, viel gemüse und sojasauce. geht aber nicht. holen wäre zu anstrengend, und genug geld zum bestellen ist gerade nicht im haus. schade. scheiße manchmal, das mit der selbstverantwortung.