ich gehe also zugrunde, habe mir extra dafür freigenommen. bislang ist noch krieg in MEMORY, schlachtfelder und angriffe. schauplätze eben, geschichte und geschichten. aber morgen werde ich damit wohl durch sein. dann kommen die angriffe und die bunker. die menschen, die männer, frauen und kinder, die in kellern und löchern hocken, tagelang, nächtelang. dann gehe ich dahin, muß ich. keine ahnung, warum. wie hat sich das gewählt? teilweise haben die menschen dort gelebt, habe ich gelesen, sind gar nicht mehr nach hause gegangen. vorsichtshalber. unter tage, in der erde. sie wollten ihren platz nicht verlieren.
ich habe viel gelesen, aber ich weiß nicht, inwieweit es helfen wird. das sind eckpunkte, allerhöchstens, der rest ist vorstellung. im dunkel der nächte, der kellerlöcher. sehen, was ich nie gesehen habe. aber so war es immer schon. ich kenne die straßen und häuser, über die keine 20 jahre zuvor der krieg hinweggefegt ist. ich habe an den tischen gesessen, auf den stühlen, die mauern angefaßt. die, die stehengeblieben waren. und die, die angebaut waren.
ich kenne die geschichten meines opas, der mir deutlich zu vermitteln wußte, daß die stadt, in der ich inzwischen lebte, quasi nicht mehr existent gewesen war. die straße, die ich von uns zu ihm ging, für mich eine der hauptstraßen, zweispurig, mit straßenbahn und geschäften rechts und links. er beschrieb sie mir als trampelpfad auf schuttbergen. das allein war gigantisch.
meine oma dagegen beschrieb mit vorliebe die angriffe und den ablauf der flucht in den bunker. angezogen haben sie geschlafen, die papiere parat. der junge mußte vorlaufen, einen platz sichern, mutter und tochter hinterher. das habe ich verstanden, irgendwie. als kind vielleicht nur wenig. aber später war Luftkrieg meine erste prosaarbeit.
und dennoch habe ich nicht verstanden. wie auch?
man hat mich auch immer gleich beruhigt. niemand war ausgebombt in unserer familie, keiner gestorben, es gab auch keine soldaten, demzufolge keine gefallenen. die fensterscheiben waren kaputt, sonst nichts. das haus stand, alle am leben. der hunger, ja. aber auch das war ja vorbei.
von bombentrichtern habe ich noch gehört. daß die gefährlich waren. voll wasser, tief und spitz. die bomben habe ich mir also spitz vorgestellt, riesengroße, spitze stücke metall, die vom himmel fallen. und wenn man nicht gerade voll getroffen wird, dann ist alles in ordnung. eine recht harmlose vorstellung, in nachhinein betrachtet. keine ahnung hatte ich von phosphor und sprengstoff, von feuer und tod. keine ahnung, trotz allem.
ich erinnere mich dunkel, daß ich die erzählungen gemalt habe. flugzeuge und fallende metallstücke. bombentrichter vor allem, das muß mich beeindruckt haben. ich bin auch mit meiner oma auf die wiese, wo ein solcher gewesen sein soll. aber ich habe nichts sehen können, nicht einmal da. viele meiner kinderbilder habe ich hier, aber diese bilder sind nicht dabei. vermutlich habe ich sie bei meiner oma verfertigt und nie mit nach hause genommen. vielleicht mochte meine mutter solche bilder nicht, und ich habe sie dagelassen. in dem alten zechenhaus, wo man die mauerziegel sehen konnte. das flickwerk, aus dem schutt zusammengesucht, für den schuppen, den anbau. nach dem krieg.
ich habe meine oma immer wieder danach gefragt, das weiß ich noch genau. immer wieder wollte ich dieselben geschichten hören, wie andere ihre gute-nacht-märchen.
meine mutter dagegen hat nie davon gesprochen. vielleicht weil sie zu klein war, sich nicht wirklich erinnert. aber so klein war sie auch wieder nicht, schulreif immerhin, bei kriegsbeginn. hitler war ein tier, hat sie nur immer wieder gesagt, der war kein mensch. und die juden wären alle so klug, könnten so viele sprachen. was immer das zu bedeuten haben mag.
und vom hunger hat sie erzählt. daß es nichts gab als hunger. der geblieben ist.