am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

Anne Clark, nachgetragen

SIE kommt zuletzt auf die bühne. die musik hat schon gespielt, der erste applaus ist durch. SIE trägt schwarz, alltagsklammotten, schwere treter an den füßen. wie immer, wie damals. SIE sieht nicht hin – nirgends – setzt sich nur auf den stuhl, schlägt die beine übereinander.

das gerade gegenteil von dem, was ich gelernt habe, ob als musikerin oder lesende. ins publikum sehen! besser nicht setzen! auf keinen fall die beine! was solls? SIE hat die augen zu, fast die ganze zeit. obwohl man von der bühne ohnehin kaum etwas sehen kann. ich weiß das, hab im letzten jahr fast eine stunde da gehockt. schweigend auf einem wasserkasten, nach meinen zwei leseseiten. man sieht nichts. und hört nichts.

SIE beginnt mit rilke. english. british.

SIE sagt nicht viel, dazwischen, eines folgt aufs andere. virtuos, nicht nur die musiker. es paßt einfach, alles. es schwingt. auf unterschiedlichen leveln, mitunter, aber es trifft sich. es paßt eben.

tempowechsel von stück zu stück. keine steigerung, ständiger wechsel. manchmal steht SIE. bei SLEEPER zum beispiel. dann wieder setzt SIE sich, die beine übereinander. die texte auf dem notenständer fliegen los. was solls? irgendwann platzt der knoten, der saal kocht, von einen augenblick auf den nächsten. und hört nicht mehr auf damit, trotz langsamerer stücke. trotz der balladen.

dann macht SIE pause. be back in a minute. die musiker machen weiter, erst flügel und chello. dann gitarre und percussion. seltsam, daß die leute rauslaufen, vor dem vorhang rumquatschen. auch im saal. zum kotzen.

SIE kommt wieder, es geht weiter. als wäre da ein bruch gewesen. nein! kein bruch. die alten, bekannten stücke, in rein akustischer begleitung, statt der vertrauten 80er synthiesounds. kein echo, kein hall. das spart SIE sich für die soften sachen. kein unnötiges gebrösel, nur die härte, wie immer. das saal ist nicht zu halten. wer ist eigentlich auf die idee gekommen, das konzert ausgerechnet ins forum zu legen? mit der alten kinobestuhlung!

die ganze zeit, SIE tut nichts. außer sprechen. kein wippen, keine show, kaum ein lächeln. SIE hat viele pausen, da ist die musik. mit der scheint SIE nichts zu tun zu haben. nichts? doch es paßt. immer. und SIE wartet eben. schweigt. das gehört dazu.

das letzte stück – OUR DARKNESS – ebenfalls ohne schnörkel. aber hart und präzise. am schluß drückt SIE das mikro nach unten. das stück ist noch nicht zu ende, noch lange nicht. aber SIE ist fertig. SIE wartet, bis schluß ist. dann geht SIE. ein kurzes winken, fast schon abgewandt.

rilke als zugabe, der panther. und noch eins. und noch eins. und ende. fast zwei stunden.

die musik, ja. aber hat jemand gemerkt, daß SIE eine dichterin ist? daß IHR instrument das wort ist? daß SIE nur gast ist in der musik? in der welt?
und wohin hab ich mich verloren? seit den 80ern. romane geschrieben und zeugs, ja, und salsa gespielt.

aber wo war ich? die ganze zeit.

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