am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

aufschrei(b)en (1)

seit gestern oder so, vielleicht war es auch in der nacht davor, wird auf twitter ziemlich herumgeschrien. #aufschrei lautet der hashtag, unter dem eine wahre flut von kürzesten geschichten gepostet (160 zeichen) wird, in denen kurz und knapp von dem ganz normalen alltägliche sexismus berichtet wird. das ist lästig, zum teil aber auch grausam und immer wieder lächerlich. wenn es nicht so traurig wäre, so wüst und unverschämt.

ich selbst hielt mich zurück, ich bin wenig betroffen. ich werde nicht immer gleich als frau identifiziert, daher habe ich auch selten angst, draußen in der welt. wo auch immer. einzig dieser typ in der schallplattenabteilung fiel mir ein, als ich etwa 12 war und noch so klein, daß ich eine weile gebraucht habe, um zu verstehen, was der eigentlich an meinem arsch wollte.

so dachte ich.

bis mir dann bei der twitterlektüre immer mehr wieder einfiel. sachen, die ich längst vergessen hatte. der typ in köln, der mir mit weit offener hose nachlief. der malermeister in der lehre, der mir tapezieren beibringen sollte. statt dessen erklärte er mir, wie weiche hände kleister macht und daß sich da mein freund freuen würde. die schreiner, die zwischen kreissäge und hobelbank mit mir schweinchen spielen wollten, indem sie meinen letzten tampon zwischen sich hin- und herwarfen. nein, ich hab nicht mitgespielt. war mir zu blöd, ich hab einfach neue besorgt.

heute ernte ich vor allem verachtung. ich bin fast fünfzig und mit dem motorrad noch dazu mehr so das mannweib schlechthin. was natürlich unsinn ist. aber dennoch gehöre ich inzwischen offensichtlich in die kategorie, die kein mann mehr mit der kneifzange anfassen würde. so sieht das im alter aus, da ist frau die anmache einfach nicht mehr wert. aber auch das ist mir zu blöd.

gestern habe ich dann in einem kommentar bei karnele etwas über karneval geschrieben. und ich wußte nicht so  genau warum, nur daß das ja jetzt ansteht in ein paar tagen.

eben, auf dem weg vom tango nach hause, fiel es mir dann wieder ein: viele jahre ist es her, ich war 16 oder 17, da kam ich am rosenmontag von der arbeit nach hause, mitten durch den karnevalszug in der innenstadt von essen. das ist nicht so doll, nicht wie in köln oder so. nur ein bißchen gedröhne und getorkel, aber viel platz drumherum.trotzdem stürzte auf einmal ein betrunkener kerl auf mich zu, gröhlte etwas von: ist doch karneval. im nächsten moment habe ich seine zunge irgendwo tief hinten in meinem rachen. so kam es mir vor. keine sekunde später flog der kerl gegen die nächste wand, besoffene sind leicht zu killen. der ekel blieb dennoch, stunden, tage, soweit ich mich erinnere. abrufen konnte ich ihn noch jahrelang.

so war das. und wenn ich es genau überlege, war das wohl mein erster „kuß“. leider.

[ach so: 160 zeichen reichen nicht. bei weitem nicht.]

9 Gedanken zu „aufschrei(b)en (1)“

  1. Ein bisschen ging es mir auch so, dass ich dachte, ich wäre davon gar nicht betroffen. Aber dann fielen mir doch ein paar (wenige) Situationen ein … Ich denke einfach, die Grenzen fühlt jede Frau schlichtweg anders.

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