am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

schulddreh

vor meiner tür, nein besser: um meine gesamte wohnung herum wird morgen und übermorgen schuld gedreht. fürs zdf. eigentlich fast das einzige, was ich vom zdf kenne und durchaus schätze. wenn ich auch nur zwei folgen kenne, darunter die erste. äpfel kamen drin vor und sepp bierbichler hat mitgespielt. ach nee, da hieß es noch verbrechen. egal, jetzt ist es moritz bleibtreu, soweit ich weiß. auch nicht schlecht.

ich war nett und habe eben das motorrad aus der schußlinie gefahren. zum einen, weil wohl in der eckkneipe gedreht wird, vor der die kiste immer steht. diese kneipe ist so eine echte, alte berliner biereckkneipe, wie es sie in der weserstraße kaum noch gibt. und den besitzern oder betreibern oder was auch immer gönne ich von herzen jeden batzen geld, damit die kneipe auch schön hier bleibt. direkt vor meinem schlafzimmerfenster möchte ich keinen dieser hippen hipsterläden. daß es hier, zirka 30 meter von meinem bett, so ein- bis zweimal im monat ein wenig hoch hergeht, reicht mir durchaus. menschen in der nacht sind verdammt laut. zum anderen, weil da heute nachmittag schon leute angefangen haben, mit großen gerüststangen zu hantieren. das ist mir zu gefährlich für mein auf leicht altersschwachen beinen stehendes gefährt.

die extra für zwei tage angebrachte parkverbotsbeschilderung kommt übrigens ein wenig durchwachsen daher. was es wohl bedeuten mag, wenn unter dem schild für absolutes halteverbot das auch-auf-dem-seitenstreifen-schild angebracht ist? neben der fahrbahn gibt es hier nur einen fahrradweg und einen bürgersteig. so gesehen hätte ich die kawa auch mitten im geschehen stehenlassen können. oder könnte mit seitenstreifen der gesamte bereich bis zum haus gemeint sein? eine gewagte these. wie auch immer, noch einmal möchte ich mich nicht mit einer dieser kackfreundlichen filmmitarbeiterInnen unterhalten, die in solchen fällen für die geschwichtigung der bevölkerung zuständig sind. ob ich das schöne fahhrad wegfahren könnte, hat die letzte mich in einem schwer zu verortenden akzent gefragt. fahrrad? ein fahrrad mit zirka 250kg?

wenn ich jetzt allerdings aus dem fenster sehe, dann wundere ich mich schon wieder. das parkverbot direkt gegenüber, das offiziell ab morgen 7 uhr gilt, wird bereits jetzt mit schicken orangegestreiften hütchen durchgesetzt. nagelneu scheinen die, und es funktioniert tatsächlich. vielleicht nur, weil zusätzlich ein wachmann in kälte und regen den fahrradweg beständig hin- und wieder zurückflaniert. zwischendurch spielt er auch mal ein wenig mit den hütchen: zwei zentimeter nach links. oder doch lieber wieder zurück? vielleicht drei zentimeter nach rechts?

ob der das die ganze nacht machen muß?

sexy

die wege durch berlin sind grundsätzlich überraschend. und sie bleiben es, auch nach über zehn jahren. immer wieder ist es nicht nur ein bißchen, es ist grundlegend anders. anderswo, ein paar kilometer weiter mitunter. also nicht nur mal mehr und mal weniger verdreckt, mal mehr und mal weniger krumm und schief. das sowieso. berlin spricht viele sprachen, eine legt sich über die andere, dicht beieinander leben sie. durchlässig und durchscheinend, aber verwechseln sollte man sie nicht. die wohnungen in friedenau sind auch innen völlig anders (konzipiert) als die, in den mietskasernen in neukölln. arbeiterklassenblockbebauung aus den 20ern, 30ern, 40ern, dazwischen lückenfüller aus den 70ern. und in charlottenburg erst, wo festangestellte das unkraut aus den steinfugen zupfen. berlin bückt sich, das ist gängige praxis. berlin gibt sich die blöße. berlin ist arm, wie hoch auch immer grund und boden und immobilien gehandelt werden mögen. berlin ist dreck, egal wie und warum es sich putzt.

nicht geputzt wird am kotti, wohin mich meine wege seit einiger zeit einmal wöchentlich führen. der tango ist schuld, der nun in unmittelbarer nähe des kreuzberger traditionsbüros der grünen in der dresdener straße stattfindet. der kotti ist nicht meine lieblingsgegend, das muß ich zugeben. weder unterirdisch, noch obenauf, wie ich den vergangenen wochen erneut festgestellt habe. der kotti ist nicht zu bewältigen, nicht einmal verkehrstechnisch. nicht einmal zu fuß. es ist voll, noch voller als hier bei mir in meinem schicken, mir zugewachsenen szenekiez. direkt vor meinem fenster, wo das europäische und amerikanische jungvolk nacht für nacht herumhipst und seinen ganz eigenen dreck mit sich bringt. lärm und geschwätz vor allem, ignoranz.

der kotti dagegen ist ehrlich immerhin, undurchdinglich und offensichtlich wund. gehandelt wird mit allem: döner, blumen, drogen, dreck. polizei ist vor ort, permanent vielleicht, um zu helfen. oder um auch noch im weg zu stehen, ich weiß es nicht. alles nur gestalten, die einen wie die anderen. die vielen sprachen, die absichten, das getriebene, das nichtverstehen darin. all das. ich auch, wie ich mich irgendwie am rand durchzuschlawienern versuche. um möglichst unbeachtet zu dem schicken loft im vierten stock zu gelangen. nicht weit, wo der tango wartet. eine andere welt. überfordert bin ich, angewidert auch, ich gebe es zu. meine schuhe sind neu, das kommt mir seltsam vor. (vor allem, weil ich selbst lange keine neuen schuhe hatte. nicht solche zumindest, so richtige, aus leder.)

in der kleinen gasse zwischen reichenberger und dresdener, hinter dem geschäftskomplex, ist es immer dunkel, auch im hochsommer. und da ist ein garten, ein artig geharkter vorgarten, den ich noch nie gesehen habe. viel wächst dort nicht, dazu ist es zu dunkel. aber es gibt einen zaun, sicherheitshalber. maschendraht. etwas weiter steht ein mann in lumpen hinter einem transporter und wichst gegen eine wand.

ich bin nicht mehr vierzehn, als die erste begegnung dieser art mich noch geschreckt hat. ich bin vierundfünfzig, achselzucke und gehe weiter. ich ärgere mich höchstens, daß er von mir bekommen hat, was er wollte. ungefragt.

oder anders: ich sehe sie gerade noch, die kurze freude in seinem gesicht, als er sieht, daß ich ihn sehe. fast ein leuchten, das dann doch keines ist. das schreckt nicht, das öffnet einen abgrund an elend, an traurigkeit.

berlin ist nicht sexy, berlin ist gloomy. aber das versteht ja wieder keineR.

pulver

draußen schießen sie, seit stunden schon, und wie immer denke ich, daß die stadt gerne verlassen würde. seit jahren schon will ich nicht hier sein, nicht jetzt. berlin ist schlimmer als alles, wenn es um silvester geht. vielleicht weil es so eben ist, weil man sich nicht zurückziehen kann, nirgends sich verkriechen. in den kellern höchstens, in dem einen oder anderen hinterhof. aber sicher bin ich da nicht.

morgen dann. nach dem lärm zieht noch stundenlang rauch und nebel zwischen den häusern, durch die straßen. warum vergesse ich immer, daß ich das eigentlich nicht will. daß ich weg will, irgendwohin. wo es still ist. gibt es das überhaupt?

hipster

das bin ich, offensichtlich, und das ist wenig lustig. das ist immens erschreckend.

idioten

heute waren sie dann bei mir, diese idioten, die nachts motorräder umwerfen. und ich schreibe wieder einmal einen beitrag unter der rubrik berlin. das ist ja eher selten geworden, alles nur noch alltag hier nach über zehn jahren. der dreck, das geschwätz und das wunderbare licht im frühling. aber diese idioten sind und bleiben einzigartig. dämlich.

10 jahre berlin

extra nachgesehen hatte ich das datum, hier im blog, ist ja ein leichtes. und es mir dann auf einem zettel notiert auf den schreibtisch gelegt. verpaßt habe ich den einsatz trotzdem. dann also jetzt.

am 21. august vor zehn jahren bin ich nach berlin gekommen. die große flucht, ab in den osten, um hier zu bleiben. einfach so. ich wünschte, ich könnte ein resümee ziehen, aber das gelingt mir nicht. nicht einmal in gedanken, deshalb wohl auch der verpatze einsatz. nur soviel vielleicht: es war keine falsche entscheidung, es ist kein fehler, jetzt hier zu sein. aber es ist auch anders. berlin ist toll, nach wie vor, aber eben anders.

womöglich bin aber auch nur ich anders. das waren 10 jahre immerhin, auch wenn ich sie kaum gemerkt habe. langsam werde ich alt, und das war nicht geplant. nicht hier. alt werden in dieser stadt, das scheint mir immer noch unangemessen.

nach berlin wollte ich ja nach wien, wenn ich mich recht erinnere. zum sterben nach wien. vielleicht wird es aber auch irgendwas in brandenburg, wer weiß? morgen erstmal ans meer. (das ist nicht brandenburg, nein? ; )

kurz nach drei nach hause kommen – tango, nicht karneval – und in direkter augenhöhe mit meinem schlafzimmer eine lautstarke tanzparty vorfinden.

ja, wo sind wir denn hier!?

ausbruch

gerade eben schnell nachgesehen, wie jedes jahr um diese zeit. neun jahre sind es jetzt, neun jahre berlin. zum ersten mal in diesem sommer und ziemlich oft auch wird mir die stadt zuviel. zu groß, zu laut und zu voll. was sicher daran liegt, daß ich so gut wie nie hier rauskomme. bei den meisten anderen ist das ja anders.

doch es ist wie es ist: ich sehne mich, manchmal, nach einer kleinen, stillen stadt.

in irgendeiner wohnung ganz in der nähe singt eine frau. dazu ein akkordeon. und lachen. hier bin ich zu hause.

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