berlin ist voller scherben, überall flattern fragmente herum, bruchstücke aus längst vergangenen zeiten. kreuzberg z. b. riecht mitunter wie vor zwanzig jahren, trotz allem. auch die sprache, die optik, die menschen. alles ist dementsprechend, für ein paar stunden vielleicht sogar. ich komme mir seltsam vor, aber auch seltsam vertraut. es ist die erste demo seit jahren, ungeplant, aber ich gehe mit. es gibt ja auch keinen anderen weg. zwei frauen sehe ich, von weitem nur, die ich aus essen zu kennen glaube. das ist auch zwanzig jahre her. älter geworden sind sie, denke ich. aber sie könnten es sein. auch sie sehen mich an, flüchtig, denken vielleicht gerade dasselbe. ich bin sicher nicht weniger alt geworden, selbst wenn ich es selbst kaum gemerkt habe.
manche scherben kriechen aber auch am boden herum, das ist gemein. diese z. b. beschäftigt mich heute:
eigentlich kein wunder, es gibt viele scherben in berlin. überall, ganz unvermeidbar. irgendwann mußte es so kommen. ich versuche mich also zu erinnern, wie das geht. es ist über zwanzig jahre her, daß ich das letzte mal einen fahrradschlauch geflickt habe. möglicherweise sind es über 30 jahre, ich fürchte, ich habe damals noch bei meinen eltern gewohnt.
ich denke an meinen vater, der mir all das beigebracht hat. wie man das rad aushängt, wie man den mantel von der felge hebelt, wie man das loch sucht, das gummi anrauht, dann den flicken aufsetzt. alles ist ölig und wird dann auch noch naß gemacht. dann wieder getrocknet, weil es ja sonst nicht klebt. überhaupt heißt es nicht kleben, sondern gummieren, es ist eine andere art der verbindung. ich erinnere mich. der kleber, das gummi, dieser geruch.
mit knapp 12 habe ich mit vaters hilfe eine viergang-kettenschaltung an mein rotes damenrad gebaut. dazu gehörte es, eine neue nabe in die hinterradfelge einzuspeichen. selbst das hätte reibungslos geklappt, hätte der verkäufer uns nicht unter den vielen gekauften einzelspeichen vier um millimeter kürzere untergejubelt. in einem werkzeugkasten finde ich eben den speichenschlüssel von damals, lange nicht beachtet.
wasser brauche ich diesmal nicht, der riß ist so groß, daß mir quasi ein lufthauch entgegenweht. ich steche auch keine nadel hinein, wie damals vom vater empfohlen. ich male das loch einfach mit einem bunten edding an. dann suche ich den mantel durch, so wie es mir beigebracht wurde. nicht, daß der geflickte schlauch, gerade erst eingebaut, sofort wieder hinüber ist. damals habe ich es geschafft, einen einzigen schlauch an die fünfmal zu flicken, bis ich es endlich begriffen hatte. heute stoße ich schnell auf die oben gezeigte scherbe, reiße mir daran den mittelfinger auf. wieder was gelernt.
wenn ich jetzt noch flickzeug hätte, wäre alles schnell erledigt. habe ich aber nicht. habe ich weggeworfen, kurz vor dem umzug, weil es über zwanzig jahre alt war. sicher keine fehlentscheidung, die klebertube war hohl und leer, obwohl ich sie nie geöffnet hatte. (gerade erst fällt mir wieder ein, daß man den kleber trocknen lassen mußte. ganz und gar trocken muß er sein, dann erst pappt man den flicken darauf. das war schwer zu begreifen, als kind. das warten.)
flickt man schläuche heutzutage überhaupt noch? kauft man nicht gleich neue, der einfachheit halber? oder pumpt man dieses klebezeug rein, wie beim motorrad?
p.s. sagte ich, daß ich des platten reifens wegen gestern nach nach hause laufen durfte, das fahrrad quasi unterm arm? nein? die blasen an meinen füßen zeugen davon.
p.p.s. während all dem wird in klagenfurt eine art architekturtext zum sieger ausgelost, der ohne jegliche psychologie funktioniert. na, immerhin funktioniert. und frau radisch hat gestern mal so nebenbei erwähnt, daß sie sich die leute, die sie einladen will, gezielt auffordert, sozusagen animiert. während es offiziell heißt, man könne sich bewerben.
nachtrag: morgen geh ich flickzeug besorgen! egal, was inzwischen mode sein mag. es wird doch wohl noch fahrradflickzeug geben.