am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

schuld und freude

manchmal würde ich gerne mehr über armut schreiben, hin und wieder tue ich das sogar. aber leicht ist anders und zwar nicht, weil ich durchweg beschämt bin. das kommt auch vor, phasenweise sozusagen, aber meistens ist mir der eigenartige reichtum meines armseligen lebens durchaus bewußt. schwer ist es, weil darauf einerseits so viele freundliche und hilfreiche angebote auf mich einprasseln. menschen, die mir geld leihen wollen oder sogar geld schenken. menschen, die gutscheine schicken oder mir essen und getränke ausgeben. es ist interessant, daß das passiert, auch jetzt gerade. und wie es passiert, aktuell betrachtet, denn selbst geschenke scheinen mich nicht aus der schuld zu befreien, die ich in solchen zeiten empfinde. oder von der last, die ich ebenso trage, wie ich sie zu sein glaube.

andererseits gibt es im zusammenhang mit öffentlich diskutierter armut immer wieder auch gut plazierte ratschläge, die selten gut gemeint sind. eine reine kosten-nutzen-analyse meiner wertigkeit im leben ergibt ganz eindeutig, daß ich als unwert zu betrachten bin. persönlich betrachtet sogar als verschwendung, denn ich könnte ja, wenn ich nur wollte. das wurde mir bereits in der schule attestiert, und obwohl ich schon damals genau wußte, warum das nicht zutrifft, trifft es mich mitunter bis heute. ich bin das, was »minderleister« genannt wird, völlig egal, was ich tatsächlich tagtäglich leiste. für das meiste davon gibt es eben einfach nur kein geld.

ja, jeder muß sehen, wo er bleibt, auch das wird mir des öfteren vermittelt. jeder ist verantwortlich für sich selbst. ich bezweifle meine zuständigkeit diesbezüglich nicht. ich bin durchaus verantwortlich für den menschlich einigermaßen tauglichen zustand, in dem ich mich befinde. ich bin verantwortlich für den erhalt meiner empfindsamkeit und meines humors. ich bin verantwortlich für den unerträglichen quatsch, den ich mitunter rede, ebenso wie für die worte, die ich schreibe. und noch zu schreiben gedenke. ich bin verantwortlich für alle meiner zustimmungen wie auch für jede einzelne meiner verweigerungen. ich bin verantwortlich für die richtung meines blickes. geld stand dabei noch niemals im mittelpunkt, auch das ist natürlich allein meine schuld.

geld ist eine macht. eine seltsame macht. es maßt sich an, menschen wert oder unwert zu machen. und ich bin nicht frei davon.

auf staatliche unterstützung kann ich übrigens nicht bauen, auch das wird mir gelegentlich ratgeschlagen. dafür verdiene wiederum ich eindeutig zu viel. es gibt also keine ermäßigungen im öffentlichen nahverkehr, keine günstigen kino- oder theatertickets, keine erstattung von rezeptgebühren oder zahnbehandlungen, auch keine lebensmitteltüten von diesen unsäglichen menschenfutterverteilstellen, die es inzwischen überall gibt. ich weiß, wo sie sind, auch hier bei mir um die ecke. zu all dem habe ich keinen zugang, und ich weiß auch nicht, ob ich das wollen würde, selbst wenn es in den sich immer wieder einfindenden komplett bargeldlosen zeiten eventuell sporadisch hilfreich sein könnte.

dennoch: überraschenderweise ist mir meine existenz seit geraumer zeit bereits vor allem anderen eine freude. die zeit genießen, meine zeit, die meine einzige zeit ist. mit mir allein sein zu dürfen, mich selbst wahrzunehmen, zu erkennen womöglich. feststellen auch, daß die welt größtenteils doch ganz anders ist, als sie sich mir als kind präsentiert hat. ebenso wie die menschen.

das ist es wert. das ist ein wert. unbezahlbar.

5 Gedanken zu „schuld und freude“

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