am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

cut

nicht, sage ich meiner friseurin energisch, als ich für einen augenblick glaube, sie würde meinen kopf mit haarspray malträtieren wollen. tut sie natürlich nicht, es ist irgendetwas anderes, das volumen in mein feines haar bringen soll. aber nichts klebriges, versichert sie mir sofort. meine mutter war in den fünfzigern friseuse, erkläre ich entschuldigend. und frage mich im selben moment, ob man das überhaupt noch sagen darf: friseuse.

das kann ich mir vorstellen, sagt meine friseurin. da fällt mir ein, daß ich in etwa so alt sein muß wie ihre mutter, vermutlich sogar älter. ihr wird das nicht verborgen geblieben sein, seit ein paar jahren amüsieren wir uns über mein zunehmendes weiß. nur hinten im nacken ist es noch recht dunkel. diesmal ist das haar hinten so kurz geschnitten, daß ich nicht nur den dunklen kranz dort habe, sondern auch noch einen etwas dunkleren fleck darüber, der wohl sonst meistens unter dem weißen deckhaar verborgen bleibt. du bist noch nicht ganz weiß, sagt meine friseurin, als ich es bemerke. ich weiß nicht, sind wir erfreut? wir beide? oder ist das einfach nur professionell? noch nie hat sie mir farbe angeboten, sie weiß, was sie tut, was ich will.

was ich auch bemerkt habe, ganz zu anfang, als ich noch die brille aufhatte und mir in diesem großen spiegel frontal gegenübersaß. wie meine halspartie langsam damit beginnt, sich in feine falten zu legen. noch nicht immer, noch nicht viel, aber doch unverkennbar. bei bestimmten bewegungen, so zeigt es sich, das altern, der verfall. an den rändern, in den spitzen. man nimmt es lange nicht wahr, aber dann auf einmal.

es gefällt mir.

ich fühle mich nicht alt, nicht eingerostet und steif. nicht verkalkt oder gar verrottet. noch nicht. es ist mir nicht unangenehm, über fünfzig zu sein. ohnehin habe ich seit jeher das gefühl, mich mir mit jedem jahr eher zu nähern, mir zuzuwachsen. als mich von meiner kraft zu entfernen, im gegenteil. ich bin alt geboren, alt gedacht. daran war nie ein zweifel.

von daher sind die körperlichen aspekte, der hautzustand, die notwendigkeit einer lesebrille und das absehbare ende des zyklischen gefühlskarussells, lediglich randerscheinungen. scheinbar sprunghafte veränderungen, die mir alle paar jahre mit einem mal auffallen, und dann sind sie da. und bleiben. da wächst nichts mehr nach.

so ist es jetzt also, denke ich, wieder einmal. als ich die brille abgenommen, die augen geschlossen habe. während die friseurin mir den kopf massiert, bevor sie sich ans schneiden macht. plötzlich erscheine ich fünf bis sieben jahre älter, als es mir noch vorgestern möglich gewesen wäre.

2 Gedanken zu „cut“

  1. Warum eigentlich keine Farbe? Grau steht so wenigen Menschen und bedarf einer sehr präzisen Frisur, um interessant und nicht bieder auszusehen. Was spricht gegen Farbe?

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