am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

ist so

ich gehöre nicht zu denjenigen, die schon vor schuleintritt lesen und schreiben konnten. das ist mein bruder. er ist die entscheidenden vier jahre jünger als ich, für ihn gab es die sesamstraße. die originale, sychronisierte, bei uns noch in schwarzweiß. damals. ich dagegen hatte keine gelegenheit, niemand saß je neben mir und hat mir vorgelesen. nicht so zumindest, daß ich mit ins buch hätte sehen könnte. kann sein, daß ich das nicht wollte, diese nähe. durchaus möglich. auch einen kindergarten oder eine vorschule gab es für mich nicht. als ich klein war, war ich meistens allein mit mir.

irgendwann in dieser zeit saß ich hinten in unserem opel kadett, als dieser aufgetankt wurde. ich erkannte das schild, rot und blau mit einem tiger. dort fuhren wir immer hin, gegenüber der gebrauchtwagenhandlung von helmut rahn. immer zu esso. ich wußte das und wagte auf einmal zu behaupten: das heißt esso, ich kann lesen. ich kann jetzt lesen! stolz war ich, doch auf den vordersitzen wurde gelacht. ich weiß nicht, warum. ich weiß auch nicht, ob ich in folge tatsächlich aufgefordert wurde, zum beweis die einzelnen buchstaben korrekt zu benennen. erinnerungen sind trüb, mitunter schon nach kurzer zeit. und diese episode liegt an die fünfzig jahre zurück. aber ich habe das nicht in guter erinnerung.

wie auch immer. sicherlich kannte ich damals die buchstaben noch nicht, in diesem sinne konnte ich also wirklich nicht lesen. (das habe ich de facto erst in der schule gelernt, allerdings in wenigen wochen. endlich.) ich kannte die uhr, die eine form hatte. die konnte ich lesen. daher wußte ich. oder glaubte zu wissen, bis sie darüber gelacht haben. dieses lachen hat mir den augenblick gelöscht.

heute weiß ich, daß ich im grunde recht hatte. man kennt die formen und zeichen, erkennt sie wieder, und glaubt, ihnen einen sinn zuordnen zu können. eine bedeutung sogar, einen zusammengang mitten in einem wachsenden und wuchernden chaos. einen anker setzen.

das ist lesen, das ist schreiben. es liegt eine gewisse unzulänglichkeit und not darin.

2 Gedanken zu „ist so“

  1. Du bist das beste Beispiel, dass es ziemlich irrelevant für eine „Karriere“ als Schreibende ist, ob man das vor der Schule schon konnte oder nicht.(Die Anführungszeichen = weil es dich nicht ernährt).

    Ich gehöre zu den Vor-der-Schule-Lesenden und Schreibenden, doch weiß ich gar nicht mehr so genau, wie mir das zugewachsen ist. Erinnere mich dunkel, dass ich nachfragte, wenn auf Schildern Worte standen – und ich glaube, es war der Opa, der mir die Buchstaben erklärte. Vor allem: es wurde nie darüber gelacht! Ganz im Gegenteil war es eine Kompetenz, mit der ich ein wenig glänzen konnte, was ganz gewiss förderlich war.
    In der Schule hatte ich deshalb einerseits Vorteile, schaffte alles mit links. Andrerseits war ich auch schnell gelangweilt, weil lange Zeit „Schreiben“ vermittelt wurde, das ich doch schon konnte (wenn auch lange nicht so korrekt, wie es dann schulisch vermittelt wurde!)

  2. ach, diese „strichelchen“ können getrost weg. alles, was mich heute ernährt, ist schrift und schreiben. wenn auch weniger das literarische, derzeit. aber wer kann das schon von sich sagen!?

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