gestern ist die neue, aktualisierte geburtsurkunde gekommen. bei geschlecht steht nichts, auch kein X. der gewählte, zusätzliche name ist eingetragen. ein name, den ich nicht zu nutzen gedenke, außer vielleicht als abkürzung. und beide vornamen als abkürzung, falls es doch noch einmal ein buch von mir geben sollte. der neue name umfasst mir nicht nur den männlichen anteil, sondern mehr noch eine weitere identität. das liegt lange zurück, ist mir aber nicht wenig wichtig. dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, bleibt das einstweilen bei mir. jedenfalls schreibe ich es hier nicht einfach so hin.
es gibt weitere änderungen, offensichtlich grundsätzlicher natur. meine eltern haben keine konfession mehr, mein vater zusätzlich keinen beruf, und er wird auch nicht mehr ausdrücklich als ehemann deklariert. auch die eheschließung meiner eltern, eineinhalb jahre vor meiner geburt, die mich als kind in geordneten verhältnissen ausweist, taucht nicht mehr auf. das scheint heute nicht mehr üblich, wie gut.
weiter geht es jetzt mit etlichen kleinen einzelschritten bei den verschiedensten stellen, angefangen vielleicht mit personalausweis, führerschein und pass. (ohne den zusätzlichen namen hätte ich mir das meiste schenken können, weil da eh schon lange keine geschlechtsangabe mehr vorgesehen ist. schaut mal in euren perso oder führerschein. nur der pass bleibt diesbezüglich unerbittlich.) der rest ist fleißarbeit. viele kopien erstellen, viele emails oder briefe schreiben, vielleicht hier und da persönlich vorbeigehen. bei der bank zum beispiel, obwohl es eigentlich nirgends probleme geben sollte, weil ich meinen ersten vornamen nach wie vor als erstes führen werde. na, mal sehen.
mal sehen, wie teuer das insgesamt noch wird. bislang bin ich bei dreißig beim berliner standesamt und fünfzehn für die geburtsurkunde. das geht eigentlich.
die schwierigere frage ist die nach dem pronomen, mit der ich natürlich bereits konfrontiert war. sowohl hier im netz als auch bei der veranstaltung der letzten drei tage. eine gute, eine richtige antwort darauf fällt mir nicht ein, nur eine praktische. ich bleibe ein sie/ihr mit stetigen ausflügen ins vermeindliche misgendern, auf öffentlichen toiletten, in motorradklamotten und wenn das stoppelkinn schlecht rasiert ist. alles zusammen lässt sogar meine stimme um ein paar grad sinken.
so war es schon immer, aber eine wirkliche lösung ist es nicht. doch wie kann es in einer sprache eine bezeichnung geben für etwas, das es nach meinem wunsch und wissen nicht geben muss? wie überhaupt soll in einer sprache, die grundlegend mit der dualitär von subjekt und objekt operiert, etwas funktionierend nichtbinäres möglich sein? die aktuellen lösungsansätze sind mir bekannt, doch sie behagen mir alle nicht. insgesamt führt meine wahl häufig zu widerlichen hilfkonstruktionen. mit ekel erwarte ich, irgendwann als „nonbinäre person“ bezeichnet zu werden. (das fühlt sich für mich an wie kurz vor „this individual“, eine bezeichnung, die die aktuelle trumpsche pressefresse gerne für einzelne, sogenannte „illigal aliens“ * benutzt.) ja, „genderfluid“ passt zu mir wohl am besten, aber ist das ein pronom? nein, zum glück nicht.
als ich jung war, hieß ich angrogyn, übrigens. das hat mit gefallen.
doch das ist lange out. wichtiger scheinen mir ohnehin sinn und ursache von all dem aufwand. dieses ist immer noch vorwiegend eine politische entscheidung in einer völlig bescheuert gewordenen welt. ein „glattziehen“, wie es neulich jemand trefflich nannte. und wenn es eine ganz persönliche formulierung haben soll, dann ist es das markieren eines massiven, persönlichen standpunkts, der da sagt:
ich bin und ich bleibe anders.
* die offensichtlich gerade wie dreck durch die gegend geworfen werden.
Danke für den Einblick. Mit „androgyn“ kann ich was anfangen, mit einigen anderen Bezeichnungen nicht.
wobei letztendlich nichts es richtig trifft. „androgyn“ ist dann doch ein wenig zu sehr auf äußere, irgendwie angehängte attribute bezogen.