schattenkatze, im licht
das lisatier
das lisatier. nachtrag.
es war nicht das heimweh, es war das alter, ein krebs, irgendwo im bauchraum, wie es viele greise hauskatzen trifft.
bis sonntag war alles in ‚ordnung‘, sie hat gefressen, sich in der wohnung umgetan, sogar vom küchentisch auf das waschbecken ist sie noch gesprungen. ganz vorsichtig und konzentriert, immerhin mehr als ein meter, aufwärts noch dazu. aber sie hat sich nicht geputzt und ‚literweise‘ wasser gesoffen, wo auch immer es zu kriegen war. sogar in den putzeimer hat sie ihren hals gehängt.
es ist nicht so, daß mir das nicht zu denken gegeben hat. ich wollte nicht dazu schreiben, es nicht manifestieren, aber beim abtasten war es im grunde eindeutig. wenn ich ehrlich bin, auch mir.
am montag hat sie angefangen alles, was sie gefressen hat mit unmengen von flüssigkeit gleich wieder von sich zu geben. dementsprechend radikal hat sie abgebaut, plötzlich war sie wieder leicht wie eine feder. zum ersten mal hat sie nicht geschnurrt, beim hochnehmen, sondern andere, merkwürdige geräusche gemacht. nie zuvor gehört, von ihr, vielleicht vor schmerzen.
am dienstag sind wir früh losgefahren, um die sache in ordnung zu bringen. diagnose: 1,7kg katze, untertemperatur, dehydriert und apathisch. die entscheidung fiel nicht schwer, im grunde war es ihre eigene entscheidung, innerhalb von einem tag. ich als ihr mensch mußte es nur für sie erledigen.
während die tierärztin die erste spritze aufzieht, hockt das lisatier auf der pritsche, zitternd und angestrengt. sie sabbert aus dem maul, ihr fell ist entweder stumpf oder naß, ihr blick geht nach innen. da ist keine kraft mehr. das ist es vielleicht, was tiere vom tod begreifen. daß die kraft nicht mehr reicht.
dann auf einmal bemerkt sie die vögel, die in einem käfig in der ecke schon die ganze zeit herumspringen. der blick wird wieder wach, und sie will los, tatsächlich, halbtot, am ende ihrer kräfte, will meine lisa vögel fangen. (nicht, daß sie weit gekommen wäre, selbst wenn ich sie nicht festgehalten hätte.)
zehn minuten später ist sie tot.
aber so ist sie, so war sie. trotz wohnungsleben, zentralheizung und täglichem dosenfutter. ein raubtier, durch und durch.
(im nächsten leben wird sie ein puma, wetten, so wie zum schluß gestunken hat.)
im schlaf
heute morgen habe ich geträumt ich würde eine katze einschläfern. nein, nicht lisa, das tier war wesentlich größer. und es war zäh, ich mußte immer wieder nachspritzen, bis der kolben – endlich – leer war und das tier verschwunden. ich weiß nicht, warum ich ihm nicht gleich beim ersten mal die volle ladung gegeben habe. als wäre ein bißchen tod aus meiner hand erträglicher. statt dessen dann peu à peu, eine quälerei. na, das war ein erfolgserlebnis. :-(
cat content
das lisatier tut sich schwer, nach wie vor. mal geht es ihr gut, für ein paar tage, sie bewegt sich wenig und langsam. aber bis auf den balkon hinaus, in die sonne; auch bis auf den schreibtisch, wenn es sein muß. wenn da mein ausgelöffelter joghurtbecher steht.
dann wieder rührt sie sich den ganzen tag nicht. nicht zum spielen, nicht zum putzen, überhaupt nicht. nur fressen tut sie, in regelmäßigen abständen von kaum mehr als einer stunde. und scheißen halt. mitunter stinkt das tier, wie noch nie zuvor.
eigenartig, daß ich das nicht begriffen habe, im vorfeld, daß es für lisa nicht vorüber sein würde, alles, der ganze streß, die angst, in dem moment, wo wir hier angekommen sind. nicht im geringsten. es ist als würde sie trauern, um die armseligen 56qm, die bislang ihre welt waren, die ganze welt. es ist als wäre sie gealtert, in ein paar monaten um jahre, lange, schwere katzenjahre.
aber sie frißt, das ist eine basis.
grounding
es ist nicht leicht, vor allem für das lisatier.
katzen sind ihrem ort meistens mehr verbunden als ihren menschen, hab ich mir sagen lassen. ich weiß von einer katze, die, jahre nach dem wegzug in ein anderes land, als sie dann endlich wieder in die gegend zurückkam, nichts eiligeres zu tun hatte, als auch die letzten drei oder vier kilometer noch zurückzulegen und in ihr haus zurückzukehren. wo sie dann auch geblieben ist, für den rest ihres leben. man hat versucht sie zurückzuholen, das haus gehörte immerhin inzwischen ganz anderen leuten. aber es hat nicht geholfen.
auch ich wundere mich über mein neues umfeld. die geräusche und gerüche. die fremden stimmen. der holzboden bebt ein klein wenig, wenn ein laster vorbeifährt. das ist irritierend. und die schritte über mir. das bin ich nicht gewohnt, seit über 20 jahren nicht. ein fernseher nebenan. oder ist es ein radio? oder summt es in einer meiner kisten? nein, da spricht wer, monologisch, elektrisch. keine frage, ein tv.
wie muß das alles für lisa sein, die alte dame? immer noch ist sie groggy von der betäubung, immer noch kackt sie vorwiegend flüssig. ein bißchen ist es, als würde sie durch die wohnung torkeln. aber sie frißt, sie ist eher neugierig als ängstlich, allerhöchstens nervös. läuft immer wieder hin und her, von raum zu raum, findet keine ruhe. immer, wenn sie mich sieht, jammert sie ein bißchen. es ist wirklich nicht leicht.
aber es gab keine wahl. sie ist eben keine dame, sie ist ein garstiges biest, das nur mich akzeptiert. die alternative, sie in wtal zu lassen, irgendwem zu schenken – undenkbar!
hilft also nichts. da muß sie jetzt durch.
und ich auch.