am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

gestern, nachlese

kurz nach mittag sitze ich auf dem balkon und lese leise vor mich hin. ohne üben gehe ich in keine lesung, zumindest nicht nach monatelanger pause und mit einem noch nie laut verlesenen text. neun seiten, eng bedruckt, das macht über eine halbe stunde. auf der letzten seite verreckt mir die stimme, die ohnehin nicht ist, wie sie sein sollte. aber plötzlich geht nichts mehr, für ein paar minuten. kein husten, kein trinken, kein räuspern hilft. das ist kein gutes zeichen.
am späten nachmittag stelle ich fest, daß das motorrad, das ein paar tage unter einem baum gestanden hat, über und über mit harz, oder was immer das sonst sein mag, verklebt ist. das ist auch nicht schön. da ich aber sowieso noch tanken und den luftdruck prüfen muß, ist das andererseits auch kein problem. ich putze noch schnell die spiegel und die armaturen und los gehts nach kw.
berlin ist voll um die zeit. zweimal versuche ich einen transporter zu überholen, auf der zweiten spur selbstverständlich. jedesmal blinkt dieser aber fröhlich links, daß ich hochachtungsvoll zurückbleiben muß. das ist nicht schön. erst bei zweiten mal brülle ich ihn zusätzlich sinnlos an. doch er hört nicht, natürlich nicht. wie auch?
trotz allem bin ich pünktlich, überpünktlich, fast eine halbe stunde vor der zeit. diesbezüglich kann ich einfach nicht aus meiner haut. meine lesekollegin hingegen schlägt mich am gestrigen tag um längen. sie sitzt schon im zug, ist übereifrig und ahnungslos in den, der eine stunde früher fährt, eingestiegen. mit den tickets, versteht sich. da ist nun wirklich kein gutes zeichen, denke ich. und lache trotzdem. es hilft ja nichts. (zum glück habe ich genug geld dabei, um das unnötige, ganz und gar überflüssige, zweite ticket zu bezahlen.)
in cottbus geht dann alles ganz schnell und reibungslos, wir werden sogar abgeholt. der raum ist übersichtlich und nett, eine gut ausgeleuchtete bühne, so hoch, wie manche der musikbühnen nicht, die ich früher hin und wieder betreten habe. aber viel schmaler. die leute sind allesamt sehr nett, das publikum trifft auch schon ein, alles kein problem. nur meine stimme.
zum glück gibt es ein mikro, obwohl der raum durchaus auch ohne zu bewältigen wäre. im normalfall. aber der trifft ja heute nicht zu. ich beginne, mich in hustenanfällen zu verlieren.
die lesekollegin ist mittlerweile höchst nervös. das sagt sie zumindest, sehen kann man es nicht. und so muß es sein, so ist es richtig. so wird es funktionieren. ich verspreche ihr trotzdem, sie notfall zur bühne zu schieben. dann huste ich noch ein wenig. macht ja nichts, ich bin erst als zweite dran. also in einer viertel stunde etwa.
selbstkritik I: vieles ist wie immer. ich fange gut an, langsam vor allem. dann werde ich schneller, zu schnell und muß mich immer wieder zur ruhe rufen. ich verlese mich ab und zu, meistens, wenn ich im tempo zu hoch bin. das ärgert mich, obwohl ich es immer ausbügeln kann. merkt ja eh keineR. dazu ist mir meine stimme fremd, leicht heiser und rau. aber nicht tief, nicht voll genug, trotz mikro. auch das ärgert mich. (ich klinge wie uli land, denke ich die ganze zeit, besonders, wenn ich zu schnell werde. aber, anders als er, verschlucke ich dann auch noch an meiner artikulation.) außerdem ist da dieses kitzeln, die ganze zeit. ich will nicht losbellen, urplötzlich. vielleicht auch noch ins mikro, nein danke. das ist alles ziemlich anstrengend heute.
selbstkritik II: ich liebe es zu lesen. ich könnte es täglich machen, immer und immer wieder. mich da oben hinsetzen und einfach nur lesen. stundenlang könnte, wollte ich das tun. und nichts anderes. mit ein bißchen mehr stimme natürlich, auf lange sicht. und mit viel mehr ruhe, wenn ich das jemals lernen kann. aber an sich… ich höre das publikum, das ich kaum sehe, lachen. was mich ein wenig erstaunt, so lustig ist der text nicht. doch was solls, ich gehe darauf ein, ich spiele es aus, so gut es eben geht. (ohne es zu verröcheln.) es ist doch bekannt, wie wenig sich der eigene text in seiner wirkung einschätzen läßt. es kann jedesmal anders sein, von heute auf morgen, immer wieder neu. obwohl es doch dieselben worte sind. wie gesagt, ich liebe es.
der rest des abend ist entspannt und natürlich total verröchelt. kaum, daß ich nicht mehr auf der bühne bin, kann ich mich kaum halten vor hustenanfällen. aber jetzt ist es ja egal. das publikum, meist ausgesprochen jung, ist zufrieden, es kommt zu uns, bedankt sich sogar. wir signieren und werden fotografiert. naja, das gehört dazu. eine weitere im buch vertretene autorin ist ‘zufällig’ auch zugegen. man kennt sich nicht, und trotzdem… der weg zurück verläuft auch wesentlich reibungsloser als der hinweg. besonders die nachtfahrt durch die kühlen luftschichten außerhalb berlins. es ist hell, es ist fast vollmond. das tut gut. (auch wenn der kupplungshebel so klebrig ist, daß er nicht durch den handschuh rutschen mag. sanftes anfahren ist also glücksache, als wäre ich eine anfängerin. gut, daß das keineR sieht.)
gegen zwei bin ich wieder zuhause. und ich bin noch wach, als es schon wieder hell wird. war das die kürzeste nacht?
nachtrag I: ich habe ein paar interessante homepages zugesteckt bekommen, etliche hustenbonbons und einen schluck ausgezeichneten grappa, den ich leider nicht komplett genießen konnte, da ich ja noch zu fahren gedachte. außerdem massenhaft schwizerschoki, die mir leider heute schon fast in der sonne geschmolzen wäre, und eine kleine kostbarkeit in form eines zigarillos mit minibauchbinde. sagenhaft. obwohl der genuß derselben wohl noch eine weile entfernt sein wird. von wegen der angeschlagenen stimme.
nachtrag II: ich habe meine sonnenbrille irgendwo liegen lassen.
fazit: mehr davon!

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