am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

bezeugen

wieder bin ich ehrlich überrascht von resonanz und wirkung des zweiten textes aus der kleinen reihe welten bewegen. auf hotel mama hält casino die letzte szene für beinah das schlimmste, das sie zu diesem thema gelesen hat. und kontert mit eigenen erfahrungen, als kind wie auch als mutter. wie gut, denke ich, daß viele offensichtlich anders leben dürfen, heute.

aus meiner sicht allerdings ist das eine relativ harmlose geschichte, zumindest was das niedergemacht, das geschlagen werden angeht. das war immer eine klare sache, ein beinah offener kampf, wenn auch unfair gewichtet. gegen einen erwachsenen mann, der tagtäglich körperlich arbeitet, kommt man als kind nicht an. aber es gab wenig wut und verachtung in der aggression, es geschah niemals spontan, sondern immer als strafaktion. das schmälert die wucht, ganz eindeutig. an ursachen oder begründungen erinnere ich mich nicht, aber ziel war (vermutlich), mich zu brechen, meinen willen, das eigene an mir. auf jeden fall für den moment.

es hat ein paar jahre gedauert. ich war elf oder zwölf, als ich den kampf endlich gewonnen hatte. nicht körperlich, aber mit einem einzigen satz, mit sieben worten: du gehst mir nicht an die hose. danach war es vorbei. nie wieder bin ich seither von jemandem derart angegangen worden. bis auf das eine mal, als mir eine brille im gesicht zerschlagen wurde. gut, da war ich fünfzehn. aber dann. da war wenigstens das vorbei.

es gibt anderes, schlimmeres. (casino vermutet da ganz richtig.) ich werde darauf zurückkommen in den nächsten tagen.

eins noch: ich schreibe hier darüber mit großer vorsicht und respekt, daher ist – aus meiner sicht – vieles verkürzt oder absichtlich ungenau oder sogar verfälscht. das muß sein, denn mein anliegen ist es nicht, anklage zu erheben, gegen wen auch immer. ich bin weder richter, noch verteidiger, obwohl mir in dem zusammenhang beide rollen schon untergekrochen sind. das bleibt nicht aus. aber das muß nicht sein, nach all den jahren.

an sich bin ich aber heute nur noch zeuge. ich versuche zu sagen, was an gewalt innerhalb der keimzelle der gesellschaft alles möglich war und vermutlich möglich ist. und zwar weit jenseits der wahrnehmungsgrenze, die offensichtlich bei blut und mord oder anderer nachhaltiger vernachlässigung erst fällt.

ich bin allerdings kein neutraler zeuge, das ist wahr. ich bezeuge mithilfe von erinnerungen, die in meinen knochen wohnen, schlafen, und mitunter schmerzhaft zu vibrieren beginnen. mehr ist es jedoch nicht.

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