jahrelange körperliche mißhandlungen mit ein paar worten endgültig zu bewältigen, plötzlich und auch für mich beinah unerwartet noch sekunden zuvor, das ist das eine. das ist ein leichtes. mit welchen worten aber begegnet man den worten, die ebenfalls besiegt sein müssen. irgendwann.
zunächst einmal sind da meine namen. scheißblag, das eigentlich für alle kinder gilt, aber für mich ganz speziell. tante madga, was sich offensichtlich auf mein aussehen bezieht. genau verstehe ich das nicht. dann die tiere. ziege, das ist das wichtigste, ich weiß nicht, warum. ziege, das bin ich. darauf höre ich, wenn nach mir geschrien wird. doch auch andere kommen in frage, eule zum beispiel. heute finde ich das beinah interessant. ausgerechnet eine eule, der nachtvogel mit den leisen schwingen. ein stiller mörder. welches tier auch immer für mich gewählt wird, auf jeden fall ist es alt. oder kalt. alte ziege, alte eule, altes dreckstück. fischblut, kalt wie eis und ohne gefühl. dreck ist allerdings kein tier mehr, dreck ist noch weniger. dreck ist, worauf menschen mit ihren schuhen herumlaufen. dreck, das bin ich. wenigstens ein stück davon.
worte formen auch ideen und absichten, worte formen und bewegen welten. so habe ich es gemacht, und genau so machen es die anderen, die erwachsenen. die ist doch nicht normal, sagen sie über mich, über meinen kopf hinweg. die muß mal wo hin, sagen sie. so laut, daß ich es hören muß. ich bin gemeint, eindeutig, dagegen komme ich nicht an. ich fürchte mich, unmittelbar. worte reißen mich aus dem letzten bißchen ruhe in mir, immer wieder, mehr noch als die schläge. in diesem fall habe ich eine vage klischeevorstellung von einer irrenanstalt, denn irre bin ich, soviel steht fest. ich denke an eingesperrt und gefesselt sein, von fremden bewacht zu werden. niemals allein zu sein. ich denke an menschen, die noch verrückter sind als das, was ich bin, was ich lebe. da also soll ich hin.
ich gerate in panik.
doch ich sage nichts, ich schweige. ich tue so, als hätte ich nichts mitbekommen. ich stelle mich dumm, weil ich bleiben will, wo ich bin. ich warte, ein paar tage, ein paar nächte. ich bin allein. ich versuche, wachsam zu bleiben, bloß nicht einzuschlafen. obwohl ich nicht weiß, was ich tun könnte, wenn sie kommen, um mich zu holen. aber ich muß aufpassen, das weiß ich. ich muß wissen, was vor sich geht, so schnell wie möglich. ich muß alles sehen, es hören zumindest, rechtzeitig. denn ich muß bereit sein.
ich will mich wehren, wenn es soweit ist.
was ich lebe, was ich leben muß, dazu kann ich nichts. das war nicht meine wahl, doch ich weiß es nicht anders, nicht besser. ich will bleiben, wo ich bin, wo ich zurechtkomme. an dem ort, an dem ich weiß, wo ich eingesperrt werde, wenn es anders nicht geht. in der kammer gleich neben der küche. das kenne ich, das ist nicht weiter schlimm.
nach einer weile steht fest, daß die drohung eine leere hülle war. nur lärm und schreierei, ein um sich schlagen, ein wutschnauben vielleicht. worte, mehr nicht, denn nichts geschieht. alles bleibt ruhig, tage- und wochenlang. niemand traut sich, vermutlich, mich irgendwo hinzubringen. wohin auch immer. ich bleibe, ich werde weiterhin gebraucht. immer wieder geht das spiel von vorne los, worte und sätze wiederholen sich: du bist nicht normal, du bist doch nicht gescheit. du gehört weg, woanders hin. guck dich doch mal an, glaubst du dich will wer? usw.
wie kämpft man mit worten gegen worte? verrückte, leere worte. denn worte gegen worte sind wertlos, mitunter.
mach das maul auf, werde ich angebrüllt. kein mensch weiß, was du eigentlich willst. und ich weiß es auch nicht. schon lange nicht mehr. du hast mich ziege genannt, sage ich schließlich und blicke mit aller kraft auf. bist du doch auch, heißt da die antwort. wobei mir bereits der rücken zuwendet ist.
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