silvester, der wecker geht um sieben, weil ich um neun bei der arbeit sein muß. das macht nichts, das ist freiwillig, und ich habe auch gar nicht so viel angst. vor den vielen menschen, die, einer nach der anderen, immer schön der reihe nach, mit zu sprechen wünschen. das ist jedesmal anders, mal so und mal harmlos. nur anstrengend ist es, immer. kaum eine schicht, die ich schmerzfrei verlasse. selbst wenn ich schmerzfrei angetreten bin, was selten geworden ist in letzter zeit. der abend wird lang, die nacht bis in den morgen, das liegt in der natur der sache. jahreswechsel eben.
gegen fünf morgens stelle ich abrupt fest, daß ich zu alt bin, um nächte durchzumachen, nicht einmal eine einzige. nicht einmal silvester. alkohol genieße ich schon seit langem nur in homöopathischen dosierungen, in der art aber gerne. besonders, wenn die cocktails so hervorragend sind, wie an diesem silvester. doch ich trage wohl die letzte migräne des jahres hinüber in das neue, ohne es recht zu begreifen. so ist sie in letzter zeit, unscheinbar und mir fremd geworden, aber dennoch von übel, nach wie vor. ein häßliches viech.
tapfer bin ich, halte durch, stunde um stunde. bis ich dann plötzlich, gegen fünf und ohne vorwarnung, losstolpere, beinah torkle, und es ist nicht der alkohol. nur noch los will ich, in ein bett, ein schweigen, ein nichts. nur noch irgendwohin, wo keine schmerzen sind.
tut mir leid.
so wird dieses jahr. ein schrecken jagt den nächsten, ich fasse es kaum. und reagiere mit miesen träumen, schlaflosigkeit und wilden schmerzen. beide hände kribbeln oder werden völlig taub, im liegen nachts, wie auch an den schirmen sitze. die augen brennen, ich sehe weder mit linsen noch mit brille scharf. auf schicht versagt die stimme nach zwei stunden schon, das hirn läuft leer, bis ich, fest in eingabemasken verschnallt, menschen nicht mehr als menschen erkenne. blut in der nase, migräne in den gesichtsknochen, immerzu. private termine verweigere ich ab woche zwei, nur noch arbeit und die fRau erhalten ein recht. kein tango mehr, keine meditation, ich lese nicht, ich schreibe nicht, ich träume nicht. ich bin verstummt. es beugt mich zu boden, als säßen mir tonnen im nacken. doch wer soll die last tragen, wenn nicht ich?
wie damals, wie immer. träum nicht, dann ein schneller schlag in den nacken, der mich wecken soll. als ich ein kind war. nichts hilft. niemand.
die dritte woche, in der keine energie mehr da ist, das haus zu verlassen, einkaufen zu gehen. die treppe wäre zuviel. ich esse, was sich im schrank noch findet. nudeln ohne was, uraltkäse und hustenbonbons. erst als der vernagelte rücken in jeden atemzug beißt, gebe ich auf und schleiche zu einem arzt. aber was sagt man da? wenn nichts hilft, niemand. niemals.
ich bin wie mein gummibaum auf einmal, aus dem blick geraten war er mir. verrottet ist er derweil, bei lebendigem leib, verfault.
Wir furchtbar du leidest! Mal versucht, den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen anstatt nur immer auszuhalten?
http://www.migraeneliga.de/migraene-und-kopfschmerz/aerzte-und-kliniken.html
Es gibt auch sowas wie „Kur“ – in dem Alter wird das bezahlt, recht problemlos verschrieben.
vieles ist anders, als es an der oberfläche erscheinen mag. das meiste eigentlich. ergo leide ich nicht, ich bin. (wie ich bin.)