am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

#insight

ich verlerne es tatsächlich, das mit den menschen. heute bei einer lesung gewesen, irgendwie die erste veranstaltung seit februar. für mich. das war auch eine lesung, und das war toll. wenn auch schwierig, es ist immer schwierig mit menschen.

heute war es ein elend. als einzelperson allein auf einen platz ganz hinten, hinter eine säule gewiesen worden. so ist das ja jetzt, man bekommt einen platz zugewiesen. ganz am arsch, sage ich. tatsächlich. das war nicht nett. ich habe mich nicht im griff. ich entschuldige mich auch nicht, es ist mir zuviel, alles. dass ich allein sitze, wie alles an mir allein ist seit mitte märz. viel mehr plätze gibt es für zwei, bessere plätze. aber ich bin allein, ich liebe nicht, ich tanze nicht, und meine katze ist auch tot. schon lange.

niemand ist, wo ich bin. außerdem ist es ja womöglich die letzte veranstaltung, in diesem jahr oder im nächsten, oder was-weiß-ich. ich will einfach nur da sein, nicht auffallen und still nach innen weinen. oder hoffen vielleicht, obwohl ich alle hoffnung langsam aufgegeben habe. ich will nur noch schreiben. und hören, was andere schreiben. manchmal. mehr will ich doch nicht.

dann kommt der platzzuweiser zu mir, informiert mich, dass vorn jetzt doch noch ein einzelplatz wäre. eigentlich will ich gar nicht. ich hab es ja nur vergessen, dass ich irgendwo nach hinten gehöre. dahin, wo man nicht gesehen werde. dass ich von allein genau dort hingegangen wäre. ich gehe dann aber doch. ich muss meinen helm beiseite räumen und die schwere jacke, damit ich das nicht alles mit mir schleppe. auch dazu werde ich angewiesen. dann lande direkt vor der kleinen bühne. ein guter platz, aber den hätte ich mir selbst nie ausgesucht, wenn ich ehrlich bin. da bin ich viel zu sichtbar.

hinter mir sitzt die inhaberin meiner agentur. (nicht meine agentin.) ich drehe mich ein paarmal um, sie erkennt mich nicht. was kein wunder ist, wir sind uns nur zweimal kurz begegnet. einen moment lang denke ich über höflichkeit nach, statt der lesung zu folgen. soll ich auf mich hinweisen, später? mich vorstellen? oder ist es höflicher, es einfach dabei zu belassen? ich weiß es nicht. mir ist unbehaglich, und ich weiß nicht, warum.

am ende der verstaltung erzählt mir der platzzuweiser dann etwas von meinem „großen auftritt“, und ich bin sofort erschrocken. meine schuhe haben wohl derart auf dem boden gequietscht, dass ich mächtig gestört habe bei meinem platzwechsel mitten im programm. das ich als trampeltier, und ich habe es nicht gemerkt. ich hab es ja noch nicht einmal gewollt. das ist genau, was ich mir wünsche im leben. jetzt.

ich verlerne alles, was ich mühselig gelernt habe, in vierzig, fünfzig jahren. nach knapp sechs monaten nur kann ich innen und außen nicht mehr auseinanderhalten, verliere die gewalt über meine präsenz und beleidige menschen mit meiner verwirrung. ich verliere das kleine bisschen sicherheit, das ich mir in jahrzehnten erobert habe. vor allem verlerne ich, dem zu folgen, was ich weiß und will. wenn menschen da sind. ich degeneriere zu einem kind, offensichtlich, das vor angst alles falsch macht.

jetzt ich denke nach über einsiedelei. nicht das erste mal in den letzten monaten. alles aufgeben, was ich besitze. ein einzelnes zimmer mieten, irgendwo, nur mit netz für die arbeit. mehr nicht. keine menschen mehr sehen, all das austrocknen lassen in mir. ehe es mir völlig entgleist. die sehnsucht langsam verhungern lassen. es hilft ja nichts.

aber was mache ich dann mit dem buch, das schon so weit, so gut wie fertig ist? beenden und dann vernichten? wie ein mandala?

oder will es leben? und ich habe nicht das recht, es zu töten. aber kann es leben, ohne mich?

das alles ist ein wenig theatralisch, ich weiß. ich will das auch nicht, leben ohne menschen. ohne schreiben. und ich will bei meinem schreiben bleiben, mit meinem gesicht, meinem leben.

aber ich weiß nicht, ob es nicht einfach nicht sein soll. so wie ich will. und ich mich nicht einfach nur einverstanden erklären muss. endlich. denn eigentlich war es doch nie anders.

kein mensch will mich. (hat schon meine mutter immer gesagt: glaubst du, dich will wer?) ich bin allein.

(jammermodus: aus. morgen wieder in den text. der wird so gut, den überlebt dieses ich sowieso nicht.)

5 Gedanken zu „#insight“

  1. Selbst verständlich machst du das Buch fertig! Wir warten alle darauf. Und deine Mutter hat noch nie irgend etwas von dir verstanden, sie hat keinerlei Basis, über dich urteilen zu können. Und so, wie sie das gemacht hat, sollte ohnehin kein Mensch über einen anderen urteilen. Hör nicht auf sie. Sie hat weder Recht noch Berechtigung.

  2. Tage, an denen der Sog des Abgrunds (und das ist Einsiedelei) groß wird. Lass ruhig ein wenig an dir saugen – bis die Bockigkeit vorbei ist und deine große Sanftheit dich wieder stabilisieren kann. Ich wünsche dir Halt im Zarten, das du so gut kannst.

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