am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

außer haus

ganz normal draußen gewesen, so ein wenig zumindest. zur physiotherapie zum beispiel, die geht jetzt wieder los. und ich bin ein wrack, hat sich da schnell herausgestellt, nach urlaub und quarantäne. husten ist nicht so besonders gut für den lädierten nacken. ich bräuchte erholung und training, in einem guten zusammenspiel. aber das wird wohl nix, mir fällt dazu einfach nichts ein. das ist außer reichweite, denke ich. das ist nur ein körper, was solls.

ich scherze ein wenig mit der therapeutin, während sie meinen kopf in den händen hält. (nicht wirklich, das ist poesie.) ich rede sonst nicht so viel, wenn ich da bin. meistens gar nichts. wenn es keinen geschmacksinn gäbe, sage ich, dann wäre die gesamte ess- und kochkultur auf völlig andere kriterien ausgerichtet. auf konsistenz und geräusch, das wären die qualitätsmerkmale. heute hab ich lust auf ein leises essen, würden wir sagen, sage ich.

das findet sie lustig. ich auch.

in meinem stammsupermarkt werden mehr masken getragen als in gestern dem, das gefällt mir. da falle ich nicht so auf. aber so richtig viele sind es nicht, und ich merke, dass auch ich keine lust mehr darauf habe. ich erinnere mich. am anfang – vor über zwei jahren, meine ich – da wollte ich mir mein lebensgefühl retten. die art und weise, wie ich zurechtkomme in dieser welt. mit meinen bedingungen, die eben sind, wie sie sind. das hat mich jahre, jahrzehnte gekostet. das leben zu lernen. das wolle ich nicht verlieren. ich wollte nicht ganz von vorn anfangen müssen, danach. deshalb wollte ich die regeln und verbote nicht zu nah an mir haben, weder die masken, noch den abstand. also war ich so gut wie nirgends, nur so ließ sich das minimieren. keine musik, keine begegnung, keine menschen. keine neuen zumindest, jahrelang. alles immer weniger. immer zu hause, immer bei der arbeit. sonst war wenig.

inzwischen ist klar, dass es kein danach geben wird. und dass ich nichts habe retten können, alles ist längst durchdrungen. besserwisserei und misstrauen scheint überall, wo doch niemand etwas weiß. nichts genaues, nur diverse studien und regelwerke, die sich widersprechen. vorwürfe und wut in den menschen, egal auf welcher seite, die nach außen geschleudert werden. auch das ist egoismus. das sind bewältigungsversuche, das alles, ich verstehe das. hilflosigkeit ist überwältigend.

naja, mir egal. ich fange damit nicht noch einmal von vorn an. ich lass das jetzt so.

#insight

irgendwo zwischen bauen und schreiben, dabei das haus heute nicht verlassen. die wohnung schon, zweimal war ich beim briefkasten. einmal für die zeitung, das andere mal für die post.

die schufa findet, ich sei kein großes risiko, aber es leben mehr als sieben parteien in dem haus, in dem ich wohne. das stimmt, beides. der optiker dankt für meinen brillenkauf und weist auf seinen stinknormalen service hin.

draußen hat die sonne geschienen.

vor ungefähr einem jahr gab es keine baumärkte, da war nix mit bauen. statt dessen habe ich diese holzpuzzle gemacht. und in der post waren hin und wieder postkarten mit durchhaltezusprüchen: bald ist impfung und nächstes jahr im sommer. dann tanzen wir und trinken wir, irgendwo mit sand zwischen den zehen.

das ist lange her, auch der sommer.

ich weiß, dass da draußen derzeit alles weitgehend normal ist. ich lese, wie manche menschen sich darüber aufregen. ich weiß, dass freunde ins kino gehen und zur arbeit und reisen planen. ich selbst geh da nicht mehr hin, nach draußen. es gibt kaum einen grund, aber ich bin eine der wenigen.

ich wollte nach leipzig, zur messe. ich hatte karten gekauft, schon vor wochen. obwohl ich nicht wusste, ob ich das hinkriegen würde. unter menschen sein, vielen fremden menschen. das werde ich nun nicht mehr herausfinden, aber das ist unwichtig.

es ist ein elend.

#insight

um der erschöpfung nachzugeben, nur ein ganz klein wenig vielleicht, gibt es viel zu viel zu tun. zum glück. ich tue ja einfach weiter, was ansteht, ohne sinn und zweck. als wäre da noch ein plan und eine welt, in die hineinzufinden ich mich bemühe. so war das gedacht, wenn ich mich recht erinnere. es gab einen plan. oder auch nicht, was weiß ich. es ist zu lange her.

das schlimmste ist diese tonlosigkeit, die mich seit zwei jahren umgibt. schlimmer noch als die aussichtslosigkeit oder die fehlende sicherheit. unsicher ist sowieso immer alles. das kenne ich, wenn auch nicht (mehr) so konzentriert. aber das leben in einem weitgehend resonanzfreierm raum, frei von menschen und zukunft. nichts betrifft mich noch, was ich tue geschieht in ganz kleinen kreisen, die nichts tangieren.

aber was rede ich. ich will nicht mehr reden, dieses totstellen ist mir längst (wieder) alltag geworden. sollen andere ihre corona-lobby-arbeit leisten, gruppen gründen und forderungen stellen. wütend sein, meinetwegen. ich stehe da nicht im weg.

ich bin nicht mehr da, und ich komme auch nicht zurück. das leben, wie es jetzt ist, drückt mich in eine andere richtung. wie so viele, derzeit. (wissend oder unwissend? schon klar oder noch verklärt? auf jeden fall schweigend!)

ich kämpfe nicht, das ist okay.

#insight

müde. es gibt keinen halt in der welt, das ist nicht neu. das ist so gemeint, ich hatte es nur vergessen. kalt ist es auch zurzeit, doch mein leben ist zurück. mein sein und mein tun, das alles funktioniert wieder weitgehend gut. nur bin ich außerhalb von dem, wie es anderen sein mag in der welt. mir ist diese welt illusion. ich bin jetzt, wie es früher schon war. in die enge genommen. allein.

so ist es endlich gut, das ist mir ein zuhause.

zweiundzwanzig

rückblickend sind die vergangenen zwei jahre im nichts verschwunden. mir ist leben verschwunden, zusammen mit dieser zeit, so wie allen, auf die eine oder andere art. ich klage nicht, es findet sich kein adressat. ich würde sprechen über das, was ich erfahre, wie ich mich erfahre auch. ich werde das tun, so immer wieder. ich bin ein mensch, eine wirklichkeitsmaschine für wahnemung und klang. doch nicht jetzt, in dieser pandemie reden schon zu viele. und zu viele reden zu viel ungeklärtes, wut und angst und anderes zeug. ich eigne mich nicht für den chor, in dem eines das andere bedingt.

was ich sage, was ich will, das wird gern missverstanden. die zeit, die mir fehlt, fehlt ja de facto gar nicht. diese zeit war da, und sie war weitgehend eine qual, wie ich es nicht mehr für möglich gehalten hätte. ein rückgriff in das, was vergangen schein. das zu sagen ist eine nüchterne tatsache. das zu beschreiben ist eine qual. diese qual ist wirklichkeit. umso seltsamer, wie sich diese wirklichkeit letztendlich zur klage umgreift. das ist entweder opferstolz, durchaus möglich. oder ich werde beschämt und verdreht. womöglich beides, zur gleichen zeit.

jetzt heißt es wieder: es ist licht am ende des tunnels. wie schon imletzten jahr, genau zu dieser zeit.

doch das weiß man nie, wie lang der tunnel ist, und ob da nicht vielleicht das licht eines entgegenkommenden zugs leuchtet, immer schneller wird und heller. oder ob das überhaupt ein tunnel ist, diese zeit, durch die wir kriechen. am ende tauchen wir ein in einen neuen traum, fast alles im leben ist illusion. ein häßliches spiel mit der hoffnung fest im bestand menschlicher beschaffenheit. es gibt keine überlegenheit, nur das elend des überlebens.

das kommt danach, das leben jenseits von licht und schatten und tunnel. die erfahrung, die bleibt. die erfahrung, die es zu überwinden gilt, wenn der tunnel geschafft ist. scheinbar.

#insight

dunkel ist es, so lange schon. wochen, monate, jahre. und die nacht, sie kommt erst noch. so heißt es jetzt überall.

tief innen werde ich immer radikaler, halte es keine sekunde länger aus, das besserwissen und hassen, das selbstverständliche verachten anderer menschen. einfach so, ohne hinzuschauen. hier im netz oder anderswo. ich will das nicht mehr sehen, es nicht lesen, nicht erleben. das gilt für alle vorhandenen seiten und gruppen, und immer für diese wie auch die jeweils gegenteilige perspektive. prognosen rückwärts zu rechnen ist ebenso komplex und verwerflich, wie zahlen verlässlich in die zukunft zu schieben.

was soll das bringen oder helfen, wenn jemand schuld gesprochen ist? dann ist es zu spät, per definition. alles ist längst geschehen, also was? das geht nicht rein in meinen kopf. der alltag geht weiter, so oder so.

wie soll man da leben?

mehr denn je suche ich nach den gegenden, wo die sicht frei davon ist, nirgends die rede von schuld. wissen will ich, wie es dann aussieht. das leben und der alltag. sicher mit nicht weniger schmerz oder krankheit. schon gar nicht ohne tod. das kann und das soll nicht sein. es gibt nicht viel solchen raum, soviel steht fest. auch mein denken ist nicht frei davon. im gegenteil. meine sprache verrät meine schuld nur allzu oft. und die schuld, die an mir begangen wurde, trägt sie mit stolz mitunter.

ich mag das nicht, ich will darüber hinaus. da bin ich nicht die erste, das ist mir klar. und vermutlich ist das sinnlos, wie alles. keine ahnung. ist es das wert?

was dieses virus mit mir macht, ohne dass ich ihm jemals begegnet bin. dabei ist es nur ein harmloses, kleines programm.

dass die menschheit eines tages von einem derart simplen mechnismus ausgelöscht werden wird. nicht von diesem vermutlich, aber auch nicht von einer außerirdischen übermacht, einem meteoriten o. ä., wie in den filmen. nein! stattdessen von einer womöglich noch viel rudimentäreren minimalkonstruktion, weit jenseits unseren verständnisses von leben. das ist nicht auszuschließen.

somit wäre sichergestellt, immerhin: daran trägt dann auch niemand eine schuld, letztendlich.

#insight

was für ein irrsinn. ein jahr ist vergangen, und alles stellt sich dar, als wäre dem nicht so. keine zeit ist vergangen, das jahr 2021 in seiner eigenartigen indifferenz hat sich selbst gefressen. ich sitze allein zu hause, ganz wie 2020, und warte auf den winter. warte darauf, dass der winter vergeht. warte darauf, dass sich etwas bewegt, sich etwas ändert. stattdessen wiederholt sich alles, dass es nahezu grotesk ist.

eben habe ich ein ticket bestellt, anne clark in der passionskirche in kreuzberg im august 2022. das habe ich 2019 schon einmal gemacht, für november 2020. in der zwischenzeit wurde die welt in ein virus gehüllt, und anne clark hatte krebs. ich war unsicher, wusste nicht, ob ich das tun sollte, so einen zweiten anlauf nehmen. im grunde glaube ich mir das nicht, aber getan habe ich es doch.

manchmal lache ich, heimlich in mich hinein, mitunter auch laut, ist ja niemand hier. wenn ich auf twitter herumlese oder mich durch mein fratzenbuch treiben lasse. all diese fetzen von menschen, die ich zum größten teil gar nicht (mehr) kenne. ich lese, wie sie versuchen damit klarzukommen, dass auf nichts mehr verlass ist. weil sich immerzu die regeln ändern, im letzten moment. und es ist kein gott, der das tut, keine übergeordnete macht. es ist nur ein virus, ein einfaches vervielfältigungsprogramm ohne weitere absicht und sinn.

ich spüre das auch, und es reißt mich, immer wieder aufs neue, manchmal mehrfach am tag, tiefer sogar als manch anderer sich das vorzustellen vermag. das haltlose im leben, das ist das schwerste. und doch ist es das normalste, denn nichts ist jemals sicher. bis zuletzt.

lachen muss ich, weil mir manchmal bewusst wird, wie viele menschen jetzt leben und erleben, was ich als kind erfahren habe. keine sicherheit, niemals, keine verlässlichen regeln. jahrelanges gefangensein in der vorstellung anderer, ohne jeden ausblick in ein danach. ohne berechnen zu können auch, wie lange es so bleiben wird. diese permanente schieflage, das ist so anstrengend, kraftraubend. und die frage, ob ich es überhaupt überleben kann.

mein lachen ist erkenntnis und verstehen, keine belustigung, es hilft bei der bewältigung. und bei dem versuch, die welt ohne eine fixierung von schuld zu betrachten.

vermutlich ist bodenlosigkeit schlicht und einfach eine alltägliche wahrheit.

rot sehen

seit mittag leuchtet die corona-warn-app in rot. das kommt davon, dass ich am wochenende die erste, größere kulturelle veranstaltung seit fast zwei jahren besucht habe, den open mike. sorgen mache ich mir deswegen nicht. ich bin geimpft, und alle dort haben quasi die ganze zeit masken getragen. der heimathafen ist groß und hoch, es wurde gelüftet, und es waren längst nicht so viele leute da, wie es stühle gab. die meiste zeit saß ich also allein und war still. wie es mir immer ist, unter menschen.

das war sehr schön. das war es wert.

das rot in der app zeigt, was zu erwarten gewesen war: es ist nirgends sicher. auch das schreckt mich nicht. das wusste ich schon vorher, lange vorher. das habe ich als kind von grund auf gelernt. was eine exponentiale dynamik ist, bzw. wie es sich anfühlt, kurz bevor es losgeht. die ständige gewissheit, sich selbst nicht retten zu können. zu klein zu sein, zu hilflos. das ist alltag, das ist harmlos. die dynamik der überwältigung hingegen.

auf den heutigen alltag bezogen ist dieses rot nur eines: ärgerlich. weil es so derart vermeidbar gewesen wäre. so einfach, so schnell. vielleicht nicht alles, aber wohl doch vieles. und weil ich jetzt eine woche oder so zu hause sitze, weitgehend zumindest. das nervt!

aber naja, im großen und ganzen tue ich das ja sowieso, seit jahren jetzt. oder wie lange geht das alles schon?

#insight

es ist nicht die desolate infektionslage, die mir derzeit die nächte raubt und das gemüt. ich bin zweimal geimpft, die dritte impfung folgt in drei wochen. um mich sorge ich mich nicht. (nur durchdrehen könnte ich irgendwann, wenn ich noch einmal einen winter allein bei mir eingesperrt sein soll, zum beispiel. aber das interessiert nicht, das war all die letzten monate lang nicht von bedeutung.)

viel mehr noch schmerzt die desolate informationslage, an der selbst ich, des lesen und schreibens mehr als mächtig, mehr und mehr scheitere. keine ahnung, was stimmt und was gilt. alles ist nur noch ein rausch und ein rauschen, ohne sinn. was letztendlich vielleicht auch nicht so wichtig wäre, nicht für mich. ich weiß ja eh, was zu tun ist. alleinsein und ruhig bleiben. nicht verlernen, was das leben sein kann. oder könnte. oder war, vielleicht.

ganz besonders aber verzweifle ich an der gegenwärtig vermehrt um sich greifenden suche nach schuld, als gäbe es sonst keinen halt. und wenn sich keine schuld finden lässt, die sich irgendwem anhaften ließe. oder immer nur dieselbe, die sich noch dazu unmittelbar mithilfe von kleinen argumentationskreisen ins leere verläuft. dann bleibt zuletzt noch das erfinden von erklärungsmustern, die sich ebenfalls am besten in anderen verankern lassen. ohne differenzierung, eine scheinbar einfache gleichung.

es ist immer der schrecklichste aller entwicklungen, wenn das denken und erleben an diesen punkt kommt. die einfachheit von schwarz und weiß, die es doch nie gibt. nirgends. alles scheint so leicht, wenn es nach diesem muster geht. gehen könnte. aber es rettet nichts, niemals. es ist nur zeitvertreib, als gäbe es die zeit dazu. jetzt.

jetzt ist die zeit, den kopf zu heben, und über das virus hinauszusehen. was werden wir sein, danach. was werde ich.

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