am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

in die spitzen

jede woche ein mal sucht nun eine noch sehr junge und ausgesprochen zierliche zahnärztin in einem meiner oberen backenzähne nach den wurzeln. das ist übel, es dauert stunden. ich liege da, hilflos, wie eine gefangene. verbaut im zahnärztlichen equipment, da bleibt kein raum, keine flucht, und zusätzlich in die zange genommen von zwei fremden menschen. wobei gerade deren fremdheit eine erleichterung ist. wirklich gefährlich sind am ende nur die bekannten, die vertrauten menschen. meiner erfahrung nach.

auf den röntgenbildern ist nur ein wurzelkanal zu sehen, die junge ärztin geht aber davon aus, dass das nicht stimmen kann. gefunden hat sie bislang zwei, einen dritten vermutet sie. fehlt also noch einer, denke ich, sage ich. zwischen zwei bohreinsätzen, die mich sprachlos machen. manchmal sind es auch nur drei, sagt sie, den rosenbohrer in der hand. ich vertraue der frau, blind und stumm. ich öffne den mund. wir reden nicht viel, wir werden sehen.

sie geht den dingen auf den grund, wie ich. bis in die spitzen, nur anders. sie tut es für mich, es ist ihr beruf. das hatte ich bislang nicht verstehen können, warum jemand zahnarzt werden will. es ist nicht das geld, obwohl das gerne als erstes behauptet wird. nein, das glaube ich nicht. es ist ein handwerk, das verstehe ich. da ist werkzeug und material, da wird etwas gebaut. aber im gesicht eines menschen, in seinem kopf, wie kann man das wollen?

dennoch: jetzt auf einmal beginne ich zu begreifen. dass es menschen gibt, die in knochenhartem material graben. dass es solche menschen geben muss. so wie ich auch in knochen grabe, in vergangenheit, erinnerung und struktur. das ist mein material, ebenso hart und unerbittlich.

mein werkzeug ist das wort allein. nur so zeigt sich die angst, kurz bevor sie schwindet. an den ort zurückkehrt, wo sie geboren ist. anderswo und lange her.

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