am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

schlaflos

zwei nächte jetzt, das ganze jahr. ob das so weitergeht? wobei: schlafen tut man ja doch irgendwie, auch wenn man es nicht merkt. oder nur daran merkt, dass man aufwacht. aus was auch immer.

aus dem schlaf in den schmerz. ohne mittel geht da wohl gar nichts mehr, schon gar nicht löcher in wände oder küchenarbeitsplatten bohren oder sägen oder sonst was. aber den versuch war es wert, diese nacht. um zu wissen, dass ich nicht mehr tauge. dass ich mein eigenstes verlieren werde, meine kraft, meine hände. an was auch immer.

wissen auch, dass es nicht interessiert. dieses altwerden, es stört nur die gute stimmung.

cut

nicht, sage ich meiner friseurin energisch, als ich für einen augenblick glaube, sie würde meinen kopf mit haarspray malträtieren wollen. tut sie natürlich nicht, es ist irgendetwas anderes, das volumen in mein feines haar bringen soll. aber nichts klebriges, versichert sie mir sofort. meine mutter war in den fünfzigern friseuse, erkläre ich entschuldigend. und frage mich im selben moment, ob man das überhaupt noch sagen darf: friseuse.

das kann ich mir vorstellen, sagt meine friseurin. da fällt mir ein, daß ich in etwa so alt sein muß wie ihre mutter, vermutlich sogar älter. ihr wird das nicht verborgen geblieben sein, seit ein paar jahren amüsieren wir uns über mein zunehmendes weiß. nur hinten im nacken ist es noch recht dunkel. diesmal ist das haar hinten so kurz geschnitten, daß ich nicht nur den dunklen kranz dort habe, sondern auch noch einen etwas dunkleren fleck darüber, der wohl sonst meistens unter dem weißen deckhaar verborgen bleibt. du bist noch nicht ganz weiß, sagt meine friseurin, als ich es bemerke. ich weiß nicht, sind wir erfreut? wir beide? oder ist das einfach nur professionell? noch nie hat sie mir farbe angeboten, sie weiß, was sie tut, was ich will.

was ich auch bemerkt habe, ganz zu anfang, als ich noch die brille aufhatte und mir in diesem großen spiegel frontal gegenübersaß. wie meine halspartie langsam damit beginnt, sich in feine falten zu legen. noch nicht immer, noch nicht viel, aber doch unverkennbar. bei bestimmten bewegungen, so zeigt es sich, das altern, der verfall. an den rändern, in den spitzen. man nimmt es lange nicht wahr, aber dann auf einmal.

es gefällt mir.

ich fühle mich nicht alt, nicht eingerostet und steif. nicht verkalkt oder gar verrottet. noch nicht. es ist mir nicht unangenehm, über fünfzig zu sein. ohnehin habe ich seit jeher das gefühl, mich mir mit jedem jahr eher zu nähern, mir zuzuwachsen. als mich von meiner kraft zu entfernen, im gegenteil. ich bin alt geboren, alt gedacht. daran war nie ein zweifel.

von daher sind die körperlichen aspekte, der hautzustand, die notwendigkeit einer lesebrille und das absehbare ende des zyklischen gefühlskarussells, lediglich randerscheinungen. scheinbar sprunghafte veränderungen, die mir alle paar jahre mit einem mal auffallen, und dann sind sie da. und bleiben. da wächst nichts mehr nach.

so ist es jetzt also, denke ich, wieder einmal. als ich die brille abgenommen, die augen geschlossen habe. während die friseurin mir den kopf massiert, bevor sie sich ans schneiden macht. plötzlich erscheine ich fünf bis sieben jahre älter, als es mir noch vorgestern möglich gewesen wäre.

wenn wenn am ende der vorläufig letzten physioanwendung die physiotherapeutin zu einer kleinen rede ansetzt, deren inhalt grob und unzulänglich zusammengefasst in etwa lautet: machen sie sich keine sorgen, das bleibt sowieso so, das ist alles schon in die knöchernen strukturen fest eingewachsen, aber es muß ja nicht schlimmer werden. dann weiß ich auch nicht, dann möchte ich das natürlich nicht wahrhaben. vor allem aber denke ich: pech gehabt, alt geworden.

aber echt jetzt.

besser

hormone können grausam sein. immerhin wirken die schmerzmittel jetzt wieder. das soll reichen fürs erste.

wechselblut

gestern nacht über blut schwadroniert, heute dann ins blut gestürzt. wie frauen das so tun, hormonbedingt und doch auch spontan. ich zumindest, das gesamte jahr schon passiert mir das jedesmal, wenn ich gerade denke: das wars dann wohl, vielleicht. klappt nie, bislang auf jeden fall

ich bin zum wechselblüter mutiert. müde, sehr müde stolpere ich durch den tag.

zugewinn

trotz meiner nachhaltigen weißhaarigkeit und diversen anderen, deutlich sichtbaren alterserscheinungen, bin ich bislang noch niemals als alt gebashed worden. was möglicherweise daran liegt, daß man, wenn ich auf dem mottorad unterwegs bin, nicht wirklich viel von mir sieht. dennoch prangere ich das an, ist es mir doch seit jeher ein tiefes bedürfnis, endlich meinem wahren alter ein klein wenig näher zu kommen, ihm quasi entgegenzuwachsen im leben. was letztendlich für alle beteiligten ein gewinn sein dürfte.

eigenartig uninspirierter tag heute, träge und schwer. so ist es eben, wenn die dinge nicht funktionieren. wenn einfach nichts ineinandergreift, stattdessen alles danebengeht, wo es nur kann. früher hätte ich diese art von mißlingen auf hormonelle umschwünge geschoben und einfach auf den nächsten tag gehofft. heute weiß ich nicht mehr, ob und wo meine hormone schwingen oder torkeln oder was auch immer. nicht einmal darauf ist verlaß. trotzdem ist morgen natürlich ein neuer tag. ob mit oder ohne hormone.

regenerierungserscheinungen

älter werden wird anstrengend im alter. das ist nicht neu, war aber dennoch eine überraschung in diesem jahr. gut, womöglich sind nächtliches tangotanzen mit erheblichen schienbeinschmerzen rechts, die sich dort schon den ganzen tag aufgehalten hatten, und burgeressen gegen zwei uhr morgens nicht unbedingt hilfreich. dennoch. den gestrigen tag habe ich wie ausgeschaltet verbracht, wie in wattebäuschen von übermüdigkeit gehüllt. sogar eingeschlafen bin ich, beim lesen auf dem sofa. ich, alte frau.

heute geht es wieder. nach fast neun stunden ununterbrochenem schlaf muß festgehalten werden, daß ich durchaus noch regenerierungsfähig bin. und nun in der lage, ein hoch auf die freunde auszusprechen, die mich großzügig versorgt haben. mit besten wünschen und besuch, von glück und gesundheit war die rede, von wenig schmerzen und sorgen in zukunft, stattdessen soll ich jederzeit mit ausreichend inspiration versorgt sein. daran gedenke ich mich zu halten, grundsätzlich, an alles.

außerdem befinden sich jetzt hier so wunderbaren dingen wie: ein gelber badefrosch, viele tangolieder, alle von frauen gesungen, diverse blümchen in töpfen und blech, blechspielzeug, das im kreis fahren kann, glen deveron, goldfarbene hochlandmilde, und handgearbeitete topflappen in hellblau und braun. darüber hinaus ist die möglichkeit erster tangoprivatstunden finanziell eröffnet, eventuell auch eine minimalteilnahme am bevorstehenden queertango festival. was eigentlich auch so eine kraftzehrende, altersuntaugliche angelegenheit ist, aber was solls.

und dann liegt hier jetzt Vielleicht Esther, davor habe ich ein wenig angst.

als bestünde die aktuelle lebensaufgabe in der erkenntnis, irgendwie zu begreifen zu müssen, wie es sich anfühlt, wenn eine finale diagnose sich langsam verhärtet. auch das kommt also mit dem alter.

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