am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

am abend rutscht das migränetier kraftlos von meinem rücken, gebändigt von 3 x ibu und 1 x formi + mcp al. es stürzt zu boden und schwört mit letzter kraft rache. so kennen wir und, so lieben wir uns. ich esse eine tiefkühlpizza, eine ganze, was viel zu viel ist. (den schnaps, den ich mir danach von herzen wünsche,  verkneife ich mir bbesser.) aber tagsüber hat mich das monster nicht aus dem haus gelassen, schnell mal eben, kartoffeln, eier und zitronen. nur meine arbeit habe ich gerade so geschafft, ohne große qual. kriechend, mit tränenden augen. sieht ja keineR.

wenn alles so roh ist. und bleibt. das fleisch ohne lust.

gegen abend sehe ich in den spiegel und sehe, daß zum ersten mal seit tagen das schmerzgrau mein gesicht wieder verlassen hat. es geht also, doch noch. ich bin erleichtert. und müde. bin mir wieder zueigen, nicht mehr getragen und getrieben. bis auf weiteres.

greifer

nachts kreist ein hubschrauber über meinem berlin, hämmert in wellen von oben herab. dann springt mir das migränetier mitten ins gesicht, endlich hat es sich entschlossen. nach tagelanger belagerung. frontal bespringt es mich, wie nur selten. mit einer wucht, die vielleicht alle paar monate vorkommt. meistens eher nicht mehr, zum glück. gerade als ich schlafen will, packt es mich. als ich vergessen will, mich verlieren für eine weile. gerade dann, als wüßte, wollte es genau das.

schreien will ich, toben und kämpfen. aber innen und außen sind ein problem, das findet nicht zusammen. etwas hält mich zurück, immer. und da ist nichts, kein gegner, nirgends. da bin nur ich. und die nacht.

wegen der sicherlich schlafenden nachbarn um mich herum bleibe ich still. ich knurre nur, halte den atem an, schlage ins leere. oder mich selbst, wen sonst. ich huste wie ein hund. weinen ist nicht. nie. dann krieche ich rüber ins bad und schlucke meine pillen.

später, im medikamentierten halbwahn, träume ich von einem großen greifer aus metall, wie es ihn auf müllkippen gibt. diese dinger, die riesige brocken aus dem verotteten zivilisationsgesabber reißen und fetzen und den öfen zu fraß vorwerfen. so etwas greift nach mir, tief in den rücken hinein, mitten durch meine mitte. alles in mir ist schrott.

der schmerz im körper ist niemals nur ein schmerz. er ist immer auch erinnerung. er ist verzweiflung in fleisch und blut übergegangen, ein generationentransfer. dieser schmerz ist ein abbild der angst.

das leibliche wohl

ich sollte dankbar sein, ich weiß, in klagenfurt, der letzten migränephase, fast komplett verschont worden zu sein. ein einziger abend, der verzeihlichste noch dazu, der eröffnungsabend. alles andere war glück.

derzeit zahle ich den preis, so scheint es mir. am donnerstag, der ersten attacke, mußte ich auch noch feststellen, daß ich die hälfte der migränemedikation im hotelzimmer vergessen haben muß. ausgerechnet die verschreibungspflichtige hälfte. rasante panik auf dem weg zum arzt, weil ich nicht einmal den namen von dem zeug weiß. war letztendlich überflüssig, aber das ändert ja nichts. an der angst.

so geht es einen auf den anderen tag. samstag. montag. außerdem hat es wohl einen nerv im rechten nacken verdreht, verklemmt, vermurxt, das reicht bis mittig in mich hinein. ich beiße, den ganzen tag. ich kann das nicht lassen.

morgen ist wieder ein tag.

everlasting

noch vor acht von einem pochen im nacken und unter der schädeldecke wachwerden. keine möglichkeit, dem zu entkommen. diese ganz andere art von migräne, ohne auge, ohne dieses umschlichen werden, stundenlang. danach übelkeit, müdigkeit, diverse medikamente. herumliegen auf dem sofa, in der wanne, im bett. wie ein kadaver.

kurzschlaf gegen vier. anschließend wach werden und überraschend wieder frei sein. versehentlich gesungen, ich gebe es zu, ohne erkennbaren zusammenhang: open up your eyes, everlasting love.

migräneernst

irgendwann ist es ja doch soweit, immer. warum also nicht am tag danach, nach der spielerei. gestern die aura, heute die migräne. nicht allzu schlimm, fast ohne medis zu bewältigen. zwei ibus und dazu ein wenig verwirrung. am nachmittag zum beispiel kurz eingenickt, richtig in die tiefe gesunken und dennoch geträumt. daß ich die augen geschlossen hätte, aber dennoch alles sehen kann. faszinierend. dann hochgeschreckt, weil ich kurz dachte, es sei morgen. aufstehen, ans telefon, der interviewpartner wartet. bis mir zum glück wieder einfiel, daß ich das ja längst erledigt hatte, sogar der text schon fertig geschrieben war. schwein gehabt, aber nicht mehr schlafen können danach. leider.

irgendwann wird meine kraft zuende sein, dachte ich später, als ich das badewasser um mich herum kalt werden ließ. (manchmal hilft das, diesmal nicht.) ich werde ja nicht jünger mit der zeit. und was dann? wie lebt man ohne kraft?

migränespiele

sehe bunte, flimmernde lichter vor mir tanzen, die es in echt nicht gibt. mal sehen, wie lange es dauert, bis ich stimmen höre.

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