am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

vienna calling

einigermaßen genug entschnupft und enthumpelt, um morgen weitgehend entspannt in den zug steigen zu können. aber ich bin froh, dass es wohl tatsächlich der direktzug sein wird. kein stress diesmal, bitte. dazu reicht es vielleicht nicht. keine umständlichen umsteigereien und endlose verzögerungen. das kann ich diesmal wirklich nicht gebrauchen.

aber ich will nicht motzen, ich will mich freuen. die vorbereitungen waren leicht und überlegt, diesmal. wohl weil das kranksein mir bei aller verrotztheit ein bisschen zeit und raum geschaffen hat, eine art übersicht. das wiener nahverkehrsticket ab morgen ist bestellt und bezahlt, die bahntickets ausgedruckt, auch das für den nightjet zurück. ebenso ist die zugangsprozedur zur unterkunft bereits gesichert und notiert, und – was für eine überaschung – karfreitag ist gar kein feiertag in österreich. nur ostermontag.

damit erledigen sich meine überlegungen, wie ich doch noch irgendwie an lebensmittel kommen könnte, falls die bundesdeutsche bahnverbindung die übliche solide verspätung einfahren sollte. was sie ja im grunde immer tut, und die lebenmittelläden schließen recht früh in wien. aber egal jetzt, der freitag ist frei. jetzt nur noch den wecker, dann ist alles gut. hoffe ich.

soviel dazu, dass ich eine schechte reisende bin. und was für eine schlechte reisende!

müdes grün

ich bin müde, das muss ich sagen. reisemüde, obwohl die reise noch nicht zuende ist. im gegenteil, morgen ist wieder der tag des unterwegsseins. nicht mein liebster zustand, soviel steht fest. vor allem der gedanke an die üble anreise macht mich gleich wieder kirre.

so, oder so ähnlich, war dann auch der tag. kein ziel mehr, kein plan. warten auf das verpacken meiner paar dinge. warten auf das losmüssen, rechtzeitig, der wecker und die eile. das suchen und das schleppen. die angst, mich zu verlieren.

wieder müssen, müssen, müssen.

dennoch habe ich mir schnell noch ein paar neue wiengegenden ein ganz kleines bisschen erschlossen. vielleicht. egal, wo das war, ich will nicht weiter langweilen. aber es gibt recht plötzlich sehr ruhige, beinah stille straßen mitten in der stadt. darauf stoße ich immer wieder mal, das ist zufall. das ist schön. und manchmal kommt es vor, da sieht man, von einer straßenbahnhaltestelle oder so, beim warten auf grün an einer fußgängerampel, die waldigen hügel außerhalb. dunkles grün.

es wird schon gehen, denke ich. morgen ist eben stress, das gehört dazu. aber ich denke auch, dass es jetzt erstmal reicht. in diesem jahr war ich für meine verhältnisse wirklich verdammt viel unterwegs. vielleicht zu viel.

eigentlich hatte ich schon angefangen, über weihnachten oder neujahr nachzudenken. zeit hätte ich, geld auch und die arbeit, den text. den ganz sicher. überhaupt entfliehe ich ja nur allzu gern der berliner silvesterböllerei, dem allgemeinen geschossnebel in den straßen. aber vielleicht lasse ich das, denke ich gerade. vielleicht bleibe ich in dieser tiefen zeit schlicht und einfach zu hause.

das ist schließlich auch raum. mal sehen, was sich dort ergibt. welche gegenden, welche wälder. wo will ich sein?

in sechs monaten erst komme ich zurück nach wien. wieder in eine ganz andere ecke, darauf freue ich mich schon. sehr.

trotz allem.

denim & unsinn

gegen mittag war es so heiß, dass mir der schweiß lief. aber hallo! ich hätte kurze hosen mitnehmen sollen. oder wenigstens kurze hosen kaufen, hab ich aber nicht. stattdessen bin ich in einem klassischen jeansladen gelandet, weil mich die schnäppchenverkäuferin auf der straße quasi hineingeschoben hat, zu ihren regulärkolleginnen drinnen. und ich mich hab schieben lassen, ich bin ja hier irgendwie anders als zu hause. hier funktioniert das besser mit den fremden menschen.

meine frage nach jeans ganz ohne gummi drin, also nur baumwolle, denim, dunkles blau, war schnell beantwortet. es gibt sie noch, diese puren 70er-hosen, die etwas steif und hart sind, wenn man sie kauft. einheitlich blau, ohne vorgefertigte benutzspuren oder löcher. einfach nur jeans. 501 heißen die dann, die unisex-variante, war klar. oder!?

ab morgen wird die hose eingeritten, so muss das ja. wenn ich mich recht erinnere. für morgen ist ja auch deutlich weniger sommer angesagt.

anschließend war der tag ein bisschen mau, leider. beim zeitunglesen in einem café hat es mir die laune verhagelt. etwas über literatur, egal. das ist und bleibt ein bereich, der mich entweder in den himmel hebt oder aber mit sofortiger wirkung zu vernichten droht. heute war es dann mal letzteres. es folgten zweifel über zweifel, ob das alles so richtig ist, was ich derzeit tue.

vielleicht sollte ich so etwas grundsätzlich nicht mehr lesen, aber gut. es ist, wie es ist. ich mache weiter, ob mit oder ohne zweifel. aber die angst ist größer diesmal, bei diesem projekt. erfahrung prägt, zweieinhalb jahre vollversagen.

auch das laufen durch die stadt leidet unter den zweifeln. die wärme, das licht, der himmel und das blau helfen da wenig. dennoch finde ich straßen und höfe, pflastersteine und fenstersimse, nach denen ich nicht gesucht habe. weil ich nicht wusste, dass ich sie brauchen würde. stimmungen, die ich für den text brauche, fürs schreiben.

was für ein unsinn, dieses vorhaben. das leben und alles.

heiß & leicht

ich schlafe lang und träume schlecht. immer wieder drehe ich mich um, um vielleicht noch irgendwie zu retten, was im traum schiefläuft. das funktioniert nicht. irgendwann stehe ich auf, koche kaffe und nähe einen meiner hosenknöpfe wieder an. das immerhin funktioniert.

es ist heiß in wien.

weil ich sowieso irgendwann in die zieglergasse muss, zu der zahnärztin, die mir im juni die lose krone wieder eingebastelt hat, um die dort gemachten röntgenbilder anzufordern, fahre ich ein bisschen u-bahn. weg von hier, in vertrautere gegenden. (tut mir leid!) das mit den aufnahmen regelt sich ganz einfach, und weil ich hier in wohnungsnähe einfach kein einladendes café finden kann, bleibe ich dort und frühstücke.

shakshuka, das ist tatsächlich frühstück. das habe ich neulich erst von meinem syrischen arbeitskollegen gelernt. so richtig leuchtet mir das nicht ein, es war auch diesmal mehr so ein mittägliches zweitfrühstück. und es war schön, dort im innenhof zu sitzen, ausgedehnt und gemütlich, die leute kommen und gehen zu sehen. das mache ich morgen wieder, da wird es noch heißer.

vielleicht schaffe ich es auch noch, eine hose zu finden. ich weiß zwar gar nicht, was genau ich will und was ich eigentlich brauche. so eine dünne radlerhose, wie sie mir gerade am arsch zerfällt, finde ich vermutlich nicht so einfach. aber mal sehen, vielleicht habe ich ja glück.

ich mag das, hier mit den menschen zu sprechen, mit denen ich so simples zeug wie bestellungen zu verhandeln habe. ich rede wieder dieses gesetzte hochdeutsch mit ein klein bisschen melodie, wie von allein. vielleicht sollte ich das in berlin auch machen, dann hätte ich da auch ein wenig mehr freude. (vielleicht ist das aber auch unglaublich albern, keine ahnung.)

zurück laufe ich wieder ein wenig in richtung innere. das wusste ich auch noch nicht, dass man durch den burggarten nicht nur kostenfrei durchlaufen kann, sondern auch auf dem rasen rumsitzen. das gefällt mir. überhaupt mag ich die gerade aufkommende leichtigkeit. das liegt wohl am wetter, und das ist eher seltsam. ich hatte ja gedacht, dass ich im pulli und mit jacke würde laufen müssen. sogar die wanderhalbschuhe habe ich dabei.

zu dieser zeit im jahr.

durch den wind

es ist windig und warm in wien, ein wenig schwül vielleicht auch. aber nicht mehr heiß. heiß wird es morgen wieder, habe ich gelesen. und am dienstag erst, es ist ein bisschen irre.

auch heute bin ich meiner aktuellen wiener gegend treu geblieben, vor allem wegen des schreibens. das greift sich seit gestern etliche stunden des tages, das ist gut. aber da wird natürlich die zeit ein bisschen knapp, um in wien ausgiebig durch verschiedene gegenden zu laufen.

also habe ich mich heute mal an der haustür in die andere richtung gewendet und bin einfach mal dahin gegangen. was soll ich sagen, eine andere welt. ein sehr seltsam geformter, offensichtlich recht junger park, umstanden von vielen, großen wohngebäuden, die allesamt auch sehr, sehr neu aussehen. schön sauber ist es auf der seite, während die andere eher verdreckt erscheint. wie bei mir zu hause steht hier sperrmüll auf den gehsteigen, neben den flaschensammelboxen und anderen mülltrennversuchen.

gestern dachte ich noch, dass das eingebaut sein zwischen bahnschienen und autobahn es hier so gedrückt erscheinen lässt. eine theorie, aber was weiß ich schon. wien ist sicher nicht einfach so mal zu verstehen. aus einem blick auf die karte.

sommer in wien

nach den schlechten träumen erstmal zum einkaufen, dafür war gestern keine zeit. da war es früh, da ging es noch. nach dem frühstück dann und einem letzten kleinen übersetzereinsatz in diesem monat, als ich wieder aus meinem schicken wohnloch gekrochen kam, hat es mich fast erschlagen. ich laufe nur ein paar hundert meter und frage mich, warum ich eine jacke trage. (immerhin hatte ich den winterhut nicht aufgesetzt.) alle anderen laufen in kurzen hosen herum, in ärmellosen t-shirts und flipflops. naja, fast alle. einen habe ich gesehen in einer art daunenjacke. der war noch deplazierter als ich.

ich schwitze. also binde ich mir die jacke um die hüfte und laufe zur orientierung ein bisschen durch die unmittelbare gegend. ich bin nicht weit von da, wo ich beim letzten mal schon war. etwas südlich des hauptbahnhofs, in favoriten, glaube ich. nur nicht ganz so abgeschlagen, es ist nicht weit zur u-bahn. ich muss nicht so viel durch gähnend langweilige wohnstraßen, äh, wohngassen laufen. die wohngebäude sind hier wirklich nicht so spannend wie in anderen bezirken. und die straßen selbst, wie soll ich sagen? vermutlich bin ich berlin-verwöhnt, und dabei geht es mir nicht um die weitläufigkeit. mir fehlen die bäume. (das hab ich bestimmt schon mal irgendwo erwähnt.) hier gibt es kaum welche in den straßen, auch auf plätzen sind sie eher selten und wenn, dann sind sie winzig und dünn. richtige bäume gibt es nur in parks, habe ich den eindruck.

das ist wirklich berlin: all die alten bäume.

ich laufe, und ich finde die verbindung zu meinem vorherigen aufenthaltsort wie von selbst. sehr voll ist es hier, menschen aller couleur. rocker und punks, skateboards und rollatoren, schlips- und hijabträger*innen. große und kleine hunde, keine tauben, glaube ich. ich hab hier noch nie eine taube gesehen, kann das sein. oder spatzen.

hier ist es also ein bisschen wie zu hause, kebab und döner an allen ecken, burger und grillhähnchen. und ich schäme mich ein wenig, aber ich habe recht bald die nächste u-bahn genommen und bin in gegenden gefahren, die ich schon besser kenne. und die mir besser gefallen. es sind nur vier haltestellen bis zum zentrum. (wo ich dann auch nicht bleiben wollte, nur schnell etwas wegen einem wochenticket regeln.)

ohnehin bin ich diesmal nicht so sehr zum rumlaufen hier, sondern vor allem zum schreiben. oder eben das zu tun, was immer noch nötig sein wird, um wieder ins schreiben zu finden. lesen vor allem, denken und suchen. vielleicht auch einfach anfangen. und am ende womöglich doch laufen, was weiß ich. die gegend hier ist es jedenfalls nicht.

trotzdem bin ich froh, dass ich mir für 2024 eine andere ecke ausgesucht habe. nördlich vom westbahnhof, also mehr in die richtung, in der mein opa seine ersten jahre verbracht hat. das ist dann vermutlich ein bisschen mehr mein wien.

flüchtig

doch wieder eine schöne menge gelaufen, ist doch mein letzter tag hier. für eine ganze weile zumindest. und es hat sich noch einiges geklärt.

geboren und aufgewachsen im ruhrpott habe ich irgendwann als kind wien zu sehen bekommen. und das muss ein bisschen ein schock gewesen sein. wer das ruhrgebiet kennt, weiß, was ich meine. aus der gegend der schuhschachtelhäuser in die welt der gebäude. gebäude, die ein alter haben, zeiten gesehen haben und spuren davontragen.

als ich heute vom stephansplatz zügig zum museumsquartier zu finden versuche, wobei es mir egal ist, auf welche sehenswürdigkeiten ich dabei treffen mag. während ich also laufe, wieder mal, und ein gutes gefühl dabei habe; ich könnte die richtige richtung gefunden haben. da fange ich irgenwann an, den blick zu heben, über die prachtläden dieser mir nur namentlich bekannten weltmarken hinweg.

ich sehe gebäude mit gesichtern, denen ich in die augen sehen kann, die fenster. selbst ganz oben, die kleinen, flachen scheiben haben seele und welt. wer das ruhrgebiet auch nur ein bisschen kennt …

dazu kommt sicher, dass es in meinem leben wenig kultur gab. damals. ich war nie im theater, weil meine eltern nie im theater. glaube ich. theater habe ich erst in wuppertal gelernt. ich war nie im museum, weil meine eltern. nein, das stimmt nicht: wir waren in museen, aber ich habe nichts verstanden. es gab keine erklärung. nur die, dass die echten maler so malen können als wäre alles fotografiert. alle anderen sind pfusch. (entartet?) ich war auch in keinen anderen großen städten, soweit ich mich erinnern kann. nur in münchen vielleicht, in einer der pinakotheken. das war schrecklich.

ich hatte nur bücher und kino, ich habe alles gelesen und gesehen, was in meine reichweite kam. aber ich hatte keinen überblick. bis heute.

in letzter zeit kommt es mir immer wieder, dass ich einen hauch von kind in mir spüre. also nicht weiß oder einzupassen versuche, was ich an geschichte über mich gehört habe. sondern wirklich spüre, sehe, fast sogar weiß. aber doch nicht so wirklich.

so war es auch heute, als ich hochgesehen habe. ich bin sogar stehengeblieben, wieder ohne mich zu kümmern, wo ich denn gerade sein könnte. diese dunklen, großen, diese wuchtigen bauten. wesen, als seien sie belebt, nicht nur bewohnt. das ist kaum zu fassen.

der hauch erwischt mich bei schlichten holzfensterrahmen. als würde ich sie persönlich kennen, aber danach greifen kann ich natürlich nicht. solche art von erinnerung ist nicht wirklich erinnerung. es ist eher eine verwirrung. eine art flüchtiger zauber, der sich gleich wieder auflöst.

was ich wirklich erinnere ist, dass es keine karten für die hofreitschule gab. die waren damals schon auf monate, wenn nicht jahre vorabverkauft. darüber gab es einen großen streit, auch ich war nicht begeistert. es war mir versprochen worden. aber meine mutter war lange nicht zu beruhigen.

gerade denke ich, dass mir dieses pferdeschauspiel sicher wenig gefallen hätte.

nichtigkeiten

der tag beginnt mit einer plötzlich verschwundenen internetverbindung. meine vermieterin stellt hier einen guthabenanschluss zur verfügung, das wusste ich nicht. ich könnte gar nicht sagen, wie lange ich schon über das verfüge, was früher standleitung heißt. dementsprechend verhalte ich mich. das guthaben habe ich also mit konsequenter dauernutzung, mit lesen und bloggen, mit selbstverständlichem streamen von musik und filmen, dazu auch noch nach der arbeit sehen, in wenig mehr als einem tag abgesaugt. das war mir ein wenig peinlich. es wurde aber schnell gefixed, und ich habe zuzahlung angeboten.

gegen mittag habe ich mich dann ausgeloggt, mein rohmanuskript eingepackt, die kamera und noch ein bisschen mehr kram. dann bin wieder los, weg von hier. wo mich offensichtlich nicht viel hält. das haus an sich ist super. an fast jeder tür kleben sticker mit politischen infos zu den bewohner*innen, viel zu frauenrechten, klimawandel und klimarettung, radfahrsachen. aber draußen ist es öde. (oder ich gebe mir nicht die muße, es genauer zu testen?)

ich fahre in den 15. (bezirk; das ist übrigens nicht kiez, sondern stadtteil. natürlich! kieze heißen hier gräzl. hab ich heute gelernt.) eine seltsame, ebenfalls wenig touristische gegend. ich mache das nur, weil dort die adresse meines opas ist. ich will da nicht hin, aber wie der zufall es will, laufe ich genau darauf zu. gegenüber ist jetzt etwas, das heißt wild im west, eine sich entwickelnde brache. da ist kultur, aktuell gab es einen flohmarkt. da war mir nicht nach, schade. auf musik hätte ich lust gehabt.

ich laufe also, schaue mich um. das ist auch eine wohngegend, die sicher nicht die beste ist. ein-euro-läden, dönergeruch und das vertraute anne der kinder, die nach ihrer mutter rufen. ich finde ein motorradgeschäft, das genau die maschinen im fenster stehen hat, die ich gerade in die nähere auswahl nehme. natürlich ist es zu, aber ich sehe genug, um eine marke gleich wieder auszumustern. zu breit, zu wuchtig.

ich laufe und laufe, am ende werden es fast 20.000 schritte sein. ich esse einen salat, der nicht der renner ist, danach lande ich in dem café, von dem ich weiß, dass ich mich niederlassen kann. das ich kenne, das ich mag. da, endlich, hole ich tatsächlich das papier heraus und sortiere mich. so ist das mit dem schreiben. manchmal muss man laufen, sehr viel laufen.

zurück gehe ich durch die innere stadt, auf der suche nach einer u-bahn. ich weiß jetzt auch, warum ich das derzeit gern tue. gezielt interessiert mich im moment da wenig, aber in dem aktuellen text geht es um eine auf den ersten blick touristische reise. um einen wienbesuch von ganz weit außen, auch wenn sich dahinter viel mehr rührt. ich brauche also diesen blick auf die kulisse.

und langsam verstehe ich auch, was diese (innere?) stadt so einmalig macht. diese größe, diese wucht, die de facto längst nicht mehr wuchtig und ganz sicher nicht groß ist. das alles ist lange vorbei, nur dass es eben noch da ist. die show und die kulisse. dem entgegen steht eine weitreichende nichtigkeit, die sich wien in der welt in der zwischenzeit erworben hat. diese stadt hat alles hinter sich, muss sich nichts mehr beweisen. nur noch die alltagsgeschäfte erledigen, wie alle, wie überall.

kein wunder, dass sich alle welt herkommt und sich damit fotografieren lassen will. das hat jedenfalls deutlich mehr sinn als etwa neuschwanstein zu besuchen. das ist pappmasché dagegen, das ist lüge. wien ist keine lüge.

aber wien ist vorbei.

läuft

viel gelaufen, den ganzen nachmittag.

erst hier in der gegend, wo mir schnell klar war, dass es eine art hiesiges neukölln sein könnte. es ist ein bisschen weg von allem, auch mit den öffentlichen verkehrsverbindungen hakt es ein wenig. es ist etwas schmutzig, hier und da liegt zeugs rum. nicht so viel, wie bei mir zu hause vor der tür, also keine matratzen und kühlschränke und so weiter. ich sehe menschen mit kopftüchern, döner- und pizzaläden, gemüsehändler mit den üblichen außenständen. die scheinen überall gleich zu sein, in hamburg, in münchen, in berlin und hier eben auch. auf gutes fladenbrot werde ich also nicht verzichten müssen, sollte ich tatsächlich übersiedeln.

insgesamt kommt die gegend aber entspannter rüber als neukölln, wo ein ständiges gedränge und geschiebe herrscht. wo es immer häufiger ärger gibt. die sonnenalle zum beispiel heißt hier quellenstraße und ist deutlich cooler, vielleicht sogar besser ausgestattet. aber vielleicht meine ich das auch nur, weil ich kurz da bin, ein paar stunden. da weiß ich nix, während ich zu hause von jeder prügelei lese, von den unfällen und angriffen. und dann jedesmal weiß, wo das gewesen ist, ohne extra nachsehen zu müssen.

nach einer weile reißt es mich weg von hier, auch weil ich auf eine vielversprechende straßenbahn treffe. straßenbahnfahren ist gut, das dauert zwar, aber ich sehe ein bisschen was. ich fahre also und steige aus nach gefühl. weil ich nach einer regenjacke sehen will, lande ich natürlich da, wo ich mich schon etwas besser auskenne. wo ich weiß, dass die geschäfte offen sind, und irgendwo muss da auch ein bankomat sein, wie das hier heißt.

dann verlässt mich die innere richtung. ich will gar keine regenjacke mehr, ich hab ja genug zu hause. und es regnet überhaupt nicht mehr. stattdessen ich brauche einen größeren beutel, weil ich auch den kleinen rucksack zu hause gelassen habe. ich dachte halt, dass es ja die bewerbstasche geben wird, wie jedes jahr. aber jetzt und hier weiß ich nicht wohin mit der kamera und den manuskriptseiten. selbst den gekauften standard trage ich wie blöd in der hand. ich laufe, doch ich finde nichts.

ich laufe an dem laden vorbei, wo ich gern einen salat esse oder einen kaffee trinke. ich laufe weiter, ich laufe auch an dem bankomat vorbei. das rächt sich wenig später, als ich einkehren will, wo nur bargeld funktioniert. und davon habe ich nicht mehr genug parat. immerhin komme ich so in den genuss von schupfnudeln mit mohn, denn der laden ist in der nähe des bankomats, den ich dann finde.

im standart lese über den bachmannpreis und einen tennislehrer, und mir bleibt ein wenig die spucke weg. das ist gute satire, ja. das ist böse, besonders die fakten. (wobei mir schon immer klar war, dass klagenfurt rechte provinz ist.)

einen beutel kaufe ich mir schließlich im museums quartier, so einen sack, den man sich mit ein paar dünnen stippen auf den rücken packen kann. beim bezahlen bekomme ich noch eine tragetasche im selben design dazu. manchmal ist alles irgendwie schräg.

anschließend läuft es dann wieder.

ich suche mir eine u-bahnstation, einfach die nächste, der ich über den weg laufe. ich steige spontan eine station nach hauptbahnhof aus, weil ich meine, von dort aus laufen zu können. da scheint die sonne, das ist eine überraschung. das laufen geht auch, ohne straßennamen, einfach nach richtung, mit dem mobiltelefon angepeilt. das ist sogar ganz leicht, aber es ist weit.

und ich spüre, nach und nach, wie ich in eine reichlich tote gegend hineinlaufe. das gibt es also auch.

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