am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

1. mai 2009, nachschau

die nachberichterstattung will kein ende nehmen und artet hier und da ein wenig aus. mehr dazu habe ich im modersohn-magazin angedeutet. und mehr als andeuten, das wage ich nicht. irgendwie bin ich schon auf wahlkampf gebürstet und glaube so recht gar nichts mehr, was ich lese. wo auch immer lese.

nur soviel vielleicht: am rand der straßenschlacht, keine hundert meter entfernt, von der feuerwache/wiener straße zum beispiel, saßen die menschen draußen in der warmen frühsommernacht und schnabulierten sich was. oder sie spielten gitarre und sangen dazu, revolutionäre reggaesounds. fotografiert haben auch viele, schaulustige, so wie ich im grunde. digicamspanner. die geschäfte machen den umsatz des jahres an diesem tag, in dieser nacht. das erklärte eine frau ihrem begleiter auf englisch während sie für ein deeskalationsbier anstanden. das ist ein zweischneidiges schwert. eine eisdiele am lausitzplatz hatte alle rolläden heruntergelassen, auch das eisenrollgitter vor dem großen fenster. aber die tür stand weit offen und drinnen stand die revolution schlange in zwei reihen. im hintergrund sammelte sich unauffällig eine hundertschaft der bundespolizei. im zuge des gerangels wurde dann die eine oder andere bierbankgarnitur eilig abgebaut. und gleich anschließend wieder auf.

und eines ist wohl bei jeder massenversammlung dasselbe. pissende männer. in jeden hauseingang, hinter jedem noch so kleinen busch oder an mickrigen blumenkübeln stehen wenigstens drei und lassen es laufen. sie klettern sogar über die gitterumzäunungen einiger kreuzberger wohnblockhöfe, um sich dort zu erleichtern. die bierflaschen reichen sie sich dafür sorgfältig gegenseitig über den zaun. das nenne ich solidarität. für jeden pisser, den ich sehe, rotze ich einmal auf den boden. auch für die, die mir entgegenkommen und noch an der sortierung hose basteln. einen von ihnen treffe ich von hinten ans hosenbein. ja!

1. mai 2009, abends

der helikopter, der am kottbusser tor in der luft steht, ist bis hierher zu hören, aber sonst ist alles still in neukölln. die autonomen-demo ist auch gar nicht bis hier gekommen. sie ist einmal durch mayfest durch und war dann am lausitzer platz schon derart zersplittert, daß beschlossen wurde, gleich zurück auf anfang zu gehen. zum kottbusser tor. irgendwie war ich schon skeptisch, als ich die route gedruckt gesehen habe. mitten durchs fest? war das in den letzten jahren auch so? blöd angelegt?

die polizei ist quasi von anfang an in die demo hineingegangen, um sie zu stören. das sagt der mann am mikro im lautsprecherwagen. deshalb wird der weg radikal verkürzt, damit wir nicht zerschlagen werden. haltet zusammen, bildet ketten. sagt auch der mikromann. die polizei sagt, ihr sollt aufhören, euch zu vermummen und straftaten zu begehen.

erfahrungsgemäß stecken hinter solchen aussagen eilige absprachen zwischen demo- und einsatzleitung, um die masse so schnell wie möglich wieder auflösen zu können. viel hilft es nicht. nachdem endlich abgebogen werden kann, geht das steineschmeißen und gasknallen gleich wieder los. ungefähr an der stelle, an der der stöbele kurz zuvor noch mit seinem rad gestanden und telefoniert hat. zuvor ist eine reihe schwarzgekleideter bundespolizisten in reih und glied an mir vorbei. auch die wissen, wie das geht, das kettenbilden. ich sehe ihnen ins gesicht, jedem einzelnen. unter dem panzer haben sie ein gesicht. keiner von ihnen lacht oder lächelt auch nur. sie sind geschickt worden, gerade eben. ein scheißjob. fußvolk zu sein, ein zinnsoldat aus gummi.

menschenmassen bewegen sich wie wasser, das weiß man und nutzt dieses wissen, bei der planung von stadien und bahnhöfen zum beispiel. wenn man mitten in eine demo hineinschießt oder dazu noch vorstößt mit einer gruppe solide ausgebildeten und bewaffneten leuten, dann passiert dasselbe. die masse schwappt zu den rändern und fließt eilig in die seitenstraßen. auch ich sehe mich plötzlich genötig, zwei oder drei, vielleicht auch fünf schritte schneller zu gehen. ohne daß mir irgendetwas hätte passieren können, nur der schwung, ganz am rand, hat mich erfasst. ich bewege mich nach außen, hinter einen blumenbottich. das wasser umfließt solche hinternisse. andere hingegen rennen und kichern dabei. eine hat angst, überrollt zu werden. zwei haben jemanden verloren und stellen fest, daß sie dahin, wo sie ihn zuletzt gesehen haben,  nun aber nicht zurückkönnen. zwei typen  bleiben nebeneinander stehen, drehen sich um und finden es spannend. das ist das adrenalin vermutlich. oder das bier. ein anderer pißt unbeeindruckt an die nächste hausecke.

ein stück weiter lande ich – versehentlich – mitten im „schwarzen block“. naja, beinah. eigentlich wollte ich rüber zum myfest, von da kommt immer noch musik. ich gehe aber lieber wieder zurück, und kurz darauf fließt die masse wieder erschrocken in die seitenstraßen. am kottbusser tor sammelt sich bereits eine grüne horde in reih und glied, und eine weitere hundertschaft kommt bereits angetrabt. die einsatzwagen sammeln sich in den seitenstraßen, mit laufendem motor und licht. oder sie fahren hübsche schleifen und kreise, um ihre leute in position zu bringen.

mir reichts, ich fahre nach hause. die nacht überlasse ich anderen. denen, die krieg spielen wollen oder müssen. ich lese dann morgen darüber. und glaube etwa die hälfte, vielleicht.

1. mai 2009, nachmittags

gestern wurde auch in neukölln wieder mal ein 1.-mai-ritual performed. die sparkassenfiliale am platz der stadt hof wurde rundum fassadenverschönert. die nacht war eher lau, nur in friedrichshain gab es tatsächlich ein wenig ärger, wie man liest. auch die geliebte berichtete gestern von schlechter stimmung, die sich aber auf den boxhagener platz und ein stück der frankfurter alle beschränkte.

heute ist ein sonniger tag. die vögel flirten oder bauen an ihren nestern, na ja, jedenfalls piepen sie ununterbrochen. die menschen tragen t-shirts und dümpeln durch die straßen, es ist ein gemütlicher feiertag. ein kurzer rundritt in richtung kreuzberg ergibt ebenfalls ein entspanntes bild. die „revolutionäre 1.-mai-demo“ ist winzig, beinah wäre sie gar nicht erst zustande gekommen. das myfest ist voll und laut, es riecht nach verbranntem fett, hier und da. mehr rauch ist nicht. für mich heute nicht besonders einladend, das gedränge. überhaupt ist das myfest nicht so mein ding, auch wenn es sicher viel zur befriedung geleistet hat. so liest man ja zumindest immer.

rund um demos und fest puckern die clubsounds, house und reggae. menschen spielen feder- und fußball, trinken bier aus flaschen. jawohl. daneben hocken grün- oder schwarzgepanzerte polizisten bei oder in ihren säuberlich aufgereihten fahrzeugen. sie warten, mehr oder weniger gelangweilt, vermutlich. immer wieder werden sie fotografiert, die einsatzwagen. oder die beamten? keine ahnung, vorsichtig auf jeden fall, meistens von weitem. mit zoom.

das ist alles.

boxi tanzt in den mai

heute gegen mittag habe ich mich rund um den boxhagener platz bewegt, ausgerechnet. doch es galt eine ganz bestimmte besorgung machen, dazu noch ein paar eher unbestimmte, die ich auch irgendwo anders hätte erledigen können. aber was solls, war ja noch hell.

seit heute morgen acht uhr ist der platz autofrei, entsprechend riesig sieht er plötzlich aus. gegen mittag waren etliche, schwarz gekleidete und außerdem mehr oder weniger gepanzerte menschen damit beschäftigt, die vorgesehenen absperrungen zu komplettieren. nicht wirklich zu beneiden, diese leute. bei dem wetter. ich hab ja in meinem schwarzen kaputzenpulli schon rotz und wasser geschwitzt. wobei das mit dem rotz sicherlich an irgendwelchen barrikadebrechenden pollen gelegen hat.

gegen drei bin ich dann nach hause, rüber nach neukölln. da kam ich am boxi schon gar nicht mehr durch, nicht einmal mit dem motorrad. dann kann ja der tanz jetzt losgehen, denke ich.

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