am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

greifbar

das war ja klar, denn vor der katastrophe liegen immer die guten tage, wie zum hohn. heute ist es soweit, mein migränegeier ist wieder einmal hinter mir her. immer ganz dicht hinter mir hockt er, spottet und klagt mir sein leid. tippt mir auf die schulter. tippt mir mit der krummen schnabelspitze sachte in die schmerzende stelle links oben in meinem rechten auge mitunter. lacht mir ins gesicht dabei.

das ist nicht schlimm, sage ich mir ein ums andere mal. das ist alles gar nicht so schlimm, bis jetzt. es gibt schlimmeres. noch ist der geier ein geier, der nach aas giert. und nicht nach mir. kein greif, der nach mir greift. ich warte, ich bin bereit. was immer es ist, es geht vorbei. es geht ja immer vorbei.

nur der aasfresser widerspricht. das hilft dir alles nichts, sagt er ruhig hinten in der ecke hockend – wartend, wissend, lächelnd. glaub ja nicht, daß dir irgendjemand hilft. im leben nicht.

als ob ich das nicht wüßte. wenn ich mich kurz umdrehe sehe ich ihn, seine augen, seinen blick. seine not. er wartet auf den tod.

wir beide, wir kennen uns, gut. wir sind ein fleisch, wir leben noch.

mein großer vogel

schon lange denke ich mir meine migräne nicht mehr als etwas, das in meinem körper geschieht. es handelt sich vielmehr um einen vogel, einen greif, der mir im nacken sitzt. tag für tag. ein paarmal im monat greift er zu, er kann nicht anders. dann starren wir uns an, ein paar stunden, ein paar tage. ich sehe ihn, er kann nicht von mir lassen.

dennoch sagt er es, immer und immer wieder: ich laß dich. ganz leise, wie zu sich selbst. das ist sein mantra, das ist sein ziel. ich laß dich, ich laß dich, ich laß dich.

und das tut er dann auch, jedesmal. er hält wort und läßt mich frei. läßt mich leben. bis zuletzt.

die abwesenheit von migräne

zu früh aufwachen, mich noch einmal umdrehen dürfen, eigentlich mag ich das. mir dann aber eine migräne träumen, das ist mir bislang noch nie passiert. heute morgen war es aber so. eines nach dem anderen, so wie es ist. wie ich wegzulaufen versuche oder darunter herzukriechen, irgendwie. wie ich anschließend gefangen genommen werde und festsitze, nur noch warte, warte und warte. bis es aufhört. daß es aufhört. zuletzt das schreien und heulen, das betteln. als wäre da wer. als hörte mich jemand. dieses bitten um ein einsehen, ein ende. was in echt zum glück ziemlich selten vorkommt, in letzter zeit zumindest.

aufzuwachen war ein segen, eine erleichterung festzustellen, daß tatsächlich gar keine migräne anstand. auch heute nicht, obwohl die zeit mehr als reif wäre. trotzdem, so kann doch der tag nichts werden.

seit drei tagen fühle ich derart krank, daß ich statt zu arbeiten oft nur minutenlang ins leere glotze. ich glaube, ich lasse mich jetzt zur seite fallen und krieche dann nach hause. und warte, bis die letzte zelle geflutet ist.

den tag heute, ausgerechnet einen mit außentermin, also real life präsenzpflicht, über die bühne gebracht. akzeptabel, aber befremdet, benebelt, bekloppt und so weiter. irgendwie irre. zum schluß dann doch noch mit migränekloppern gearbeitet. es pocht aber weiter, rechts hinten oder vielleicht mehr innen. wie immer, alles findet innen statt, nicht da draußen irgendwo. ich bewege mich besser kaum, vor allem den kopf nicht. ich denke darüber nicht nach. immerhin ist da keine übelkeit, keine lichtempfindlichkeit, keine angst. heute. keine angst. das ist das für mich einzigartig gute an der so unsicheren freiberuflichkeit. das einzige, das hilft. ich muß jetzt schon nicht die möglichen schlafstunden ausloten, sie zählen womöglich, und hoffen, daß sie reichen mögen. bevor ich wieder losmuß. bevor es wieder losgeht, in das rad des funktionierens. denn das kann ich nicht. auch wenn das zählen und hoffen auf die nacht ohnehin unsinn ist, denn am schlaf liegt es nie. es liegt alles immer in der hand des großen, einzigartigen migränegottes. und im rechten auge, oben, hinter dem lid, ein schlag nur entfernt. immer.

gefangenschaft

meine migräne sitzt mir im gesicht, macht mich zum tier in käfighaltung. wie früher. migräne, das ist starre angst, fleischgeworden.

migräne kommt pünktlich. und ungelegen. ich gehe. flüchte. vielleicht hilfts.

die große migräne einfach mal auslassen, das scheint nicht vorgesehen zu sein. heute permanent steigende medikation, bis hin zum größten klopper. schließlich ist da dieser wichtige termin, unverschiebbar. so ist das leben

hat aber gewirkt. keine schmerzen, keine übelkeit mehr. dafür dieser medirausch, leichter schwindel bei jeder bewegung. hoffentlich sieht das von außen nicht besoffen aus. ich bin alles andere als das.

kleine migräne ist, wenn das raubtier nur den nacken leckt. wenn es die finger in den rücken bohrt und nach muskeln und nerven greift. wenn es mir den heißen atem ins auge bläst, milde lächelnd. beinah gütig.

dann funktioniert alles, auch arbeiten und essen. sogar lachen und gute laune haben. zufrieden sein, wenn auch irritiert und ängstlich. nur menschen gehen nicht, ihre ansprüche und erwartungen. da hilft auch kein wort.

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