am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

restart nach migräne

ich hab auch mal kopfschmerzen, höre ich oft. meistens beruht das auf ahnunglosigkeit, mitunter ist es auch ein mehr oder weniger versteckter vorwurf. keine ahnung, warum migräne das absurde image des drückebergertums in sich trägt. vielleicht sind es die witze über frauen, die sich vor dem sex drücken wollen. (seit wann ist sex eigentlich pflicht?)  dumme scherze, die gerne auch ins gegenteil verkehrt werden. nein, sex hilft nicht bei migräne. es hilft eigentlich gar nichts, ich hab alles schon versucht.

migräne kommt und geht wie ein grausamer gott, zu mir seit über dreißig jahren. dabei habe ich glück, ich bin nur zwei, höchsten fünf tage im monat völlig ausgeschaltet. (ich weiß von einer, die nach mehreren schlaganfällen inzwischen arbeitsunfähig und verrentet ist. und dabei noch keine vierzig.) der rest meiner zeit geht gut oder läßt sich bewältigen, irgendwie. sagenhafte sieben bis zehn tage im monat wache ich tatsächlich schmerzfrei auf. was jedesmal eine eigenartige wonne ist, kaum zu beschreiben.

anfangs wußte ich nicht, was das ist. migräne ist kein schmerz, jedenfalls nicht nur. migräne ist ein zustand, körperlich, psychisch und sozial. und ich dachte, die welt wäre eben so. so ist das leben, man wird langsam zerquetscht. so saß ich in der schule und hoffte, nicht entdeckt zu werden. froh, dabei sein zu dürfen. häufig aber unfähig, zu begreifen, was von mir verlangt wurde. zielgerichtetes hören und sehen fällt schwer. konzentriertes nach außen funktionieren ist so gut wie unmöglich. konsumieren geht aber meistens, wahrnehmen im sinne von begreifen. ich weiß auch nicht, warum. und wie. mitunter stand ich aber auch an der tafel und setzte lediglich die kreide an, weil ich mehr nicht verstanden hatte. setzen sechs, arbeitsverweigerung. für mich eine erleichterung.

natürlich habe ich inzwischen vieles unter migräne getan, erledigt und bewältigt, zum teil mit, zum teil ohne medikation. das gehört einfach dazu. prüfungen habe ich so geschrieben, unterricht gehalten, sex gehabt. geht alles, manchmal. alkohol trinke ich kaum noch, obwohl ich gerade harte sachen ganz gerne mag. doch wozu das übel auch noch provizieren. dafür werde ich ein manchmal etwas schräg angesehen. ich schiebe es auf das motorrad, darauf, daß ich diesbezüglich eine persönliche null-promille-politik fahre. was auch stimmt.

was mich aber nicht weiter ehrt, denn einmal, ein einziges mal, bin ich tatsächlich unter schwerster migräne motorrad gefahren. drei kilometer vielleicht, mehr nicht, nach zwölf stunden arbeit, abends um neun, bei schneeregen. ich wollte einfach nur schnell nach hause. wo ich dann anschließend über eine stunde lang, noch vollständig in der motorradwinterkluft, frierend im flur hockte und die letzten drei meter bis in bett nicht mehr schaffte. drei tage hat mich dieser zustand damals gekostet. lebenszeit. die bislang längste mirgänespanne. (meine lust auf einen neuen rekord hält sich in grenzen.)

der letzte donnerstag war vergleichsweise harmlos. keine zwölf stunden, dann war ich wieder frei. ein kilo körpergewicht habe ich in der zeit übrigens verloren. ich weiß nicht, wie das geht, aber das ist oft so. es waren auch schon mal drei kilo in knapp zwei tagen. migräne hat erwiesenermaßen viel mit magen- und darmgeschichten zu tun.

und wenn ich mal kopfschmerzen habe, einfach nur kopfschmerzen, dann nehme ich übrigens – wie alle anderen auch – eine schmerztablette. kopfschmerzen habe ich allerdings verhältnismäßig selten.

gnade

stundenlange migränemaßnahmen, ohne jegliche wirkung. im gegenteil, es wird immer schlimmer. dann sagt der kunde den heutigen termin eigenmächtig kurzfristig ab. während ich gerade trotz allem bemüht bin, mich auf das thema vorzubereiten. irgendwie. obwohl ich nicht mehr weiß, was ich noch einwerfen könnte, um die drei stunden zu überstehen.

welche gnade. (das verlorene honorar schneide ich mir dann morgen aus den rippen. arme leute zahlen eben mit ihrem körper.)

wieder dieses regenbogenflimmern, links. löcher im blick, erst ein winkel im unteren quadranten. zuletzt ein flacher halbbogen, nach innen offen. beweglich. als würde die welt gefressen, von links nach rechts. und plötzlich ist dann alles wieder weg.

alles gut. oder zumindest so ähnlich.

alles wird gut

du sollst dem migränegott nicht huldigen, ihn nicht achten und schon gar nicht verehren. du sollst ihn verachten. das ist alles. du sollst ihm die stunden hinzählen, eine nach der anderen, wenn es sein muß. liebevoll. mehr nicht.

nie mehr mehr als ein tag. später werden es minuten sein, höchstens noch. bis daß der tod euch scheidet.

erschwertes migränearbeiten heute. nix hilft, also hilft alles nix. noch zwei fixe termine mit vorwiegend verbaler präsenzpflicht. immerhin ist keine optik erforderlich. das wäre auch noch schöner. oder vielmehr unschön natürlich.

sieben migräneengel umschwirren mich heute, wenigstens. schon seit gestern nacht geht das so. diese geflügelten mistbiester. (eben hab ich formigran bestellt, das sag ich euch. gleich sechs stück. also abwarten, wir werden ja sehen, wer am ende noch steht.)

ich tue, was ich kann. trotzdem. auf den rixdorfer weihnachtsmarkt musste ich allerdings verzichten, sonst hätte ich den dringenden artikel nicht geschafft. und die vorbereitungen für morgen auch nicht, da ist schließlich wieder ein richtiger arbeitstag. mit terminen und so. und ohne diese engel, hoffe ich.

sonst weiß ich auch nicht.

nicht schlimm

heute migräne, als hätte ich es gestern beschrien. ganz so einfach ist es natürlich nicht, daß mir da bloß niemand mit esoterik kommt. nach über dreißig jahren kenne ich die zeichen und die zeiten. und heute sollte es eben wieder mal sein.

nicht besonders schlimm eigentlich. kiesern fiel flach, besser ist besser. überhaupt hänge ich in den seilen, suche nach entspannung. einem ausweg aus der gefangenschaft. arbeiten geht jetzt auch wieder, muss ja. da steht noch ein bißchen was auf der liste. dabei war heute eigentlich mein letzter beinah komplett freier tag in diesem monat.

auren sehen

gestern habe ich zum ersten mal im leben eine migräneaura erlebt. vielleicht auch zum zweiten mal, ich bin nicht sicher. denn das phänomen ist auf der falschen seite aufgetaucht, auf der migränefreien hälfte von mir. links in meinem gesichtsfeld flimmerte ein hübsch geschwungender regenbogen, zog sich bis in die mitte meines blickes. und blieb auch ohne blick, wenn ich die augen schloss. ungefähr eine halbe stunde lang. faszinierend. eine migräne folgte übrigens nicht, nur der übliche druck. und der hält an, bis jetzt. da kommt wohl noch was.

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