in der küche ist heute die lampe meines vaters von der wand gehüpft. das heißt, eigentlich hat eine gute freundin sie ein wenig übereifrig abmontiert, was alles in allem sehr lustig war. aber das tut nichts zur sache. die lampe lag auf der nase, die dübel waren herausgerissen, und ich sah mich unvermittelt gezwungen, jede menge werkzeug auszupacken. schlagbohrer und spachtelmasse, schraubendreher und akkuschrauber, hammer, zange und bleistift. auch, weil ich – wenn schon, denn schon – die ebenfalls hängenden dübel im bad auch gleich reparieren wollte. schon seit wochen, wenn nicht seit monaten wollte ich das.
solche dinge brauchen ruhe, und dazu war heute eigentlich nicht der tag. mit pochenden schmerzen aufgewacht, mit einem schwindel, einer lüge im kopf. das ist nicht gut. eines muß nach dem anderen gehen, wenn man die dinge zu bewegen versucht. zu flicken, zu heilen. das braucht ruhe und zeit. das braucht den moment, beinah eine hingabe an diesen. und heute ist nicht der tag. alles geht wild und blind, aber es geht. ganz gut sogar.
daß ich von meinem vater gesprochen habe, genau in dem moment, als die lampe sich fallenlies. vielleicht war es das. daß er bald schon, in diesem jahr, in ein paar wochen bereits, 20 jahre tot sein wird. und daß ich nicht weiß, was ich tun soll.
abends sind die neuen dübel fixiert, zur sicherheit eingegipst. die lampe hängt, alles wieder stabil. im bad bohre ich kurz vor acht schnell die neuen löcher in die frisch verspachtelten flächen. das ist noch ganz weich, das geht mit dem akkuschrauber. nur für den letzten rest muß ich mit der alten schlagbohrmaschine arbeiten, mit einem metallbohrer, ohne hammer. das ist genug. alles geht sauber und glatt, die dübel sitzen sofort. und endlich an der richtigen stelle. die bretter sind schnell angeschraubt. perfekt. ich bin perfekt. selbst wenn es nicht mein tag ist.
nein, eigentlich kann ich nichts. gar nichts im vergleich zu meinem vater, gegen den holzkenner, den holzkünstler, bin ich ein nichts.
doch wir sind uns nah, bis heute. wenn ich sein werkzeug in die hände nehme, bewege ich mich in seiner welt. für die feinarbeiten brauche ich inzwischen die lesebrille, wie er. wie ich ihn erinnere. um die kleinen schrauben an der lampe zu fixieren, um die exakten bohrpunkte mit dem bleistift zu markieren, um den bohrer richtig anzusetzen. mein vater schwitzt, wenn er an etwas arbeitet, die brille auf seiner nase rutscht. er ist konzentriert. er ist ganz bei sich, nur dann ist er da, immer.
ebenso erinnere ich, wie er dasaß, über jahre, neben sich. sich nicht regte, nicht sprach, immer schwieg. sich nicht wehrte, nichts tat, um etwas zu ändern. um die welt zu retten, meine welt. meine fürchterliche welt. oder auch nur die eigene, die seine. nichts.
handwerkliches arbeiten mit lesebrille verwirrt, die bilder finden mitunter nicht zusammen, das hirn kommt einfach nicht mit. kurz vor schluß bricht mir der schweiß aus und der kreislauf weg. ich sehe nicht, weiß nichts mehr, finde keinen halt. da ist sie, die angst, die mir in den vergangenen tagen schon ziellos durch den körper kroch. wie in der nacht, an dem mein vater mir erzählte, daß er in einen müllsack kriechen will, damit er keinen müll hinterlässt. damit er einfach nur weggeworfen werden kann.
letztendlich ist er aber nicht in einem müllsack gestorben, sondern jahre später in einem krankenhaus. ich bezweifle auch, daß es so überhaupt funktionieren könnte. das mit dem müllsack vermutlich unsinn. es gibt wege, um restlos zu verschwinden, ja. doch die sind wesentlich komplizierter, sowohl zu finden als auch zu gehen.
es sind also nicht nur 20 jahre. es ist wesentlich länger her, daß mein vater mich verlassen hat. ich muß ein kind gewesen sein. daran erinnere ich mich nicht, an diesen moment. nur an den seines todes.