am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

englbart* belassen

viel wird verhandelt und geschrieben über frauen und die ihnen zugehörige, bzw. die ihnen immer weniger zugehörige körperbehaarung. das ist nicht neu, doch ich kümmere mich seit jeher recht wenig um die diesbezüglichen moden. manchmal rasiere ich die beine, meistens eher nicht, auch nicht im sommer. die achselhaare dagegen schneide ich kurz, aber nie völlig weg. auf das kinn dagegen habe ich einige jahre sorgfältig geachtet und die zunehmende stoppeligkeit tag für tag artig beseitigt. gesichtsbehaarung schien auch mir nahezu unangebracht. bis ich es im spätsommer 2012 einfach mal versuchen wollte. die haare am kinn wachsen lassen und abwarten, was dazu gesagt wird.

leicht fiel mir es zunächst nicht, mein gesicht so unter menschen zu bringen. anfangs konnte ich es selbst schlicht und einfach nicht vergessen. ich erwischte mich auch dabei, wie ich vorsorglich die hand vors kinn nahm, wenn ich mit jemandem sprach. daher konnte ich mein ursprüngliches vorhaben nicht umsetzen, genau so lange nichts mehr wegzuschneiden, bis irgend jemand irgendetwas dazu gesagt hatte. höchstens eine woche habe ich jeweils ausgehalten, und jedesmal, wenn etwas „offizielles“ anstand, die haut erst recht schön glatt gekratzt.

dennoch hätte ich nicht gedacht, daß es über ein jahr dauert, bis überhaupt jemand etwas sagt. mitte november 2013 bin ich schließlich tapfer zu einem höchst radikalen vorgehen übergegangen, habe von da an, also über zwei monate inzwischen, rein gar nicht mehr bearbeitet. außerdem ist es natürlich längst so, daß ich die hand nicht mehr verschämt vors kinn halte, sondern vielmehr ebenso gedankenlos wie gewohnheitsgemäß an den vorhandenen haaren zupfe, ganz egal, ob ich gerade mit jemandem rede oder stillschweigend in der ubahn sitze. alles kein problem mehr, an die 2 zentimeter stehen mittlerweile zum herumspielen zur verfügung.

gestern nacht erst war es dann endlich soweit: schick sei der bart, ich solle es so belassen. oder beibehalten? egal, klang auf jeden fall positiv. was mache ich denn jetzt?

vielleicht erstmal belassen?

* twitterbenamung und/oder mittelalterliche rittergestalt

würgen und brechen

zwischen räumen und bügeln, was gelegentlich zum samstäglichen haushaltsalltag gehört, ein bißchen was zum thema kinder und häusliche gewalt (pdf) gelesen. wie immer würge ich an der überrepräsentation der väter als täter. mag sein, daß das durch statistik belegt ist. vermutlich, solange es um einigermaßen klar definierte körperliche gewalt geht. alles andere gibt es auch, natürlich, aber doch mehr so am rande.  es spielt halt mit, aber kaum eine rolle. offensichtlich.

wenn das mal so einfach wäre, denke ich. während ich am feminismus würge, der im grunde so viel so kluges und gutes zum thema zu sagen hat. ich erkenne mich darin, und komme dennoch nie vor. kaum ein wort, in über dreißig jahren. also würge ich nicht zuletzt am eigenen feminismus. oder an dem, was davon noch übrig ist. damit will ich brechen.

ich lese auch über symbiose und gewalt in (lesbischen) paarbeziehungen (pdf), über nähe, die illusion von gleichheit und brutale überforderung zuletzt. darüber, wie die romantische vorstellung von intimität mitunter täterinnen zeugt, verzweifelte nichtliebende. damit muß ich nicht brechen, das war niemals meins. wie anders ich bin. anders noch als sowieso schon anders. und wie wenig das zu verheimlichen ist, je älter ich werde.

aber wie ich gesucht habe nach dem fehler in mir, nach dem hindernis, das das so nachdrücklich verlangte nie zulassen konnte. wie ich schuld war, immer, wer sonst, wenn meine vereinnahmung nicht funktionieren wollte. wie mich mich gewehrt habe, auf die art vernichtet zu werden. wie ich dafür bewundert wurde und verachtet, zugleich und zu gleichen teilen. und wie nichts bleibt am ende, mir nicht, dir auch nicht. kein leben, keine liebe. kein entkommen. damit muß ich brechen.

über all dem ein schweigen. das ebenfalls gebrochen werden sollte.

aufschrei(b)en (2)

bevor ich ein teenager war und eine fremde zunge in den hals gesteckt bekam, war ich ein kind. ohne zweifel ein kind meiner zeit, also eines der 60er und der frühen 70er jahre. als solches, und insbesondere als mädchen, das ich eigentlich gar nicht war, bin ich selbstverständlich entsprechend indoktriniert worden. wenn ich mich recht erinnere, habe ich nie so genau verstanden, was meine mutter mir eigentlich zu erzählen versuchte. vermutlich verstand sie diese art der einweisung als aufklärung. was einigermaßen lächerlich ist, vor allem weil mir speziell zum eigentlichen thema noch lange jegliches basiswissen fehlte. so war das – damals – tatsächlich. aufklärung mußte man sich suchen, eigenverantwortlich und am besten heimlich. und das war nicht einfach. wenn die fragen keinen halt und keine richtung finden, weil da einfach nichts konkretes ist.

so gab es also diese düstere angstkulisse, das war alles. da draußen lauerte eine unbekannte gefahr, irgendetwas männliches, mit angst, sex und gewalt hockte es im dunkeln und wartete. das stand fest, aber was eigentlich? denn alles blieb ohne worte, ohne bilder. doch es hatte auch etwas mit mir zu tun, mit etwas in mir, von dem ich selbst noch kaum wußte.

ich wußte nur: ein mädchen darf im dunkeln nicht mehr draußen sein. ein mädchen muß angst haben, immerzu, daß ihm etwas getan wird. (aber was nur?) und ein mädchen muß aufpassen, daß alles das nicht passiert. (was auch immer!) wenn es das nicht tut, dann ist es bald selbst ein böses mädchen. denn da draußen gibt es etwas böses, das sich die mädchen holt. alle, unwiederbringlich. (meine mutter ist ein kriegskind, muß man dazu wissen. wenn sie angst vermittelt, dann ist es ihre eigene angst. dann handelt es sich um nackte, wilde todesangst. das ist totes land und rohes fleisch, ein trümmerfeld.) häufig war auch von einem „schwarzen mann“ die rede, was für ein ein absurdes, im grunde abartiges bild, das in mir nach und nach zu etwas düsterem wurde. eine dunkle seele, einem mörder gleich. aber gesichts- und konturlos, hinterhältig, eine art monster.

eines abends war dieses monster dann tatsächlich hinter mir. auf dem weg nach hause, im dunkeln versteht sich, das läßt sich schließlich nicht vermeiden, manchmal ist es ja schon nachmittags um fünf dunkel. die straße, in der ich damals wohnte, außen entlang an der neubausiedlung, war nicht besonders belebt, nur an einer seite bebaut. ich weiß nicht, war ich zehn oder dreizehn? vielleicht jünger, auf keinen fall älter. und dieses düstere hinter mir, dieses monster sprach mich an. ich weiß nicht mehr, was es sagte, immerhin ist es fast vierzig jahre her. aber es will, daß ich stehenbleibe, mich ihm zuwende. das weiß ich noch, und ich tue es natürlich nicht. in mir grüble ich, was es denn will, das da, hinter mir. aber ich gehe weiter, ich gehe nicht schneller, nur weiter, immer weiter und stelle mich taub. das hinter mir läßt mich nicht los, es ist dicht hinter mir. und es bleibt mir auf den fersen, vielleicht minutenlang. bereits nach kurzer zeit ist mir das klar. wenn ich es genau überlege, dann sind es mehrere, wenigstens zwei. denn sie sprechen über mich, beschreiben mich, von hinten. und sie lachen. zirka 200 meter vor der haustür fange ich an zu rennen. ich rufe oder schreie nicht, ich renne nur. und friemel dabei den schlüssel hervor, den ich damals noch um den hals trug. auch das hinter mir rennt, und in dem moment weiß ich endgültig bescheid. ich bin das mädchen, das geholt werden soll. jetzt.

ich schaffe es bis zur tür, einen endlosen augenblick hänge ich mit dem genick am türschloß und drehe den schlüssel. dann bin ich im treppenhaus, die tür hinter mir ist zu. ich weiß nicht mehr, wie eng es war. ob es überhaupt eng war. ich glaube, ich wußte es auch damals nicht. eigentlich weiß ich bis heute nicht, was das eigentlich gewesen ist. wieviel ernst? wieviel illusion, aus indoktrinierter angst geschürt?

bleibt noch eine treppe, sechs stufen sind es bis zur nächsten tür. nicht viel zeit, um mich zu beruhigen. hinter der nächsten tür gibt es kein wegrennen mehr, auch keine weitere tür, die mich retten könnte. nur ein verkriechen in mich selbst, ein schweigen und verleugnen. hinter der nächsten tür wohnt eine andere angst. als kind war ich abhängig und verfügbar, immer und überall. dazu braucht es keine fremden düsteren monster. ich bin böse, dafür reicht familie. aber das ist eine andere geschichte.

aufschrei(b)en (1)

seit gestern oder so, vielleicht war es auch in der nacht davor, wird auf twitter ziemlich herumgeschrien. #aufschrei lautet der hashtag, unter dem eine wahre flut von kürzesten geschichten gepostet (160 zeichen) wird, in denen kurz und knapp von dem ganz normalen alltägliche sexismus berichtet wird. das ist lästig, zum teil aber auch grausam und immer wieder lächerlich. wenn es nicht so traurig wäre, so wüst und unverschämt.

ich selbst hielt mich zurück, ich bin wenig betroffen. ich werde nicht immer gleich als frau identifiziert, daher habe ich auch selten angst, draußen in der welt. wo auch immer. einzig dieser typ in der schallplattenabteilung fiel mir ein, als ich etwa 12 war und noch so klein, daß ich eine weile gebraucht habe, um zu verstehen, was der eigentlich an meinem arsch wollte.

so dachte ich.

bis mir dann bei der twitterlektüre immer mehr wieder einfiel. sachen, die ich längst vergessen hatte. der typ in köln, der mir mit weit offener hose nachlief. der malermeister in der lehre, der mir tapezieren beibringen sollte. statt dessen erklärte er mir, wie weiche hände kleister macht und daß sich da mein freund freuen würde. die schreiner, die zwischen kreissäge und hobelbank mit mir schweinchen spielen wollten, indem sie meinen letzten tampon zwischen sich hin- und herwarfen. nein, ich hab nicht mitgespielt. war mir zu blöd, ich hab einfach neue besorgt.

heute ernte ich vor allem verachtung. ich bin fast fünfzig und mit dem motorrad noch dazu mehr so das mannweib schlechthin. was natürlich unsinn ist. aber dennoch gehöre ich inzwischen offensichtlich in die kategorie, die kein mann mehr mit der kneifzange anfassen würde. so sieht das im alter aus, da ist frau die anmache einfach nicht mehr wert. aber auch das ist mir zu blöd.

gestern habe ich dann in einem kommentar bei karnele etwas über karneval geschrieben. und ich wußte nicht so  genau warum, nur daß das ja jetzt ansteht in ein paar tagen.

eben, auf dem weg vom tango nach hause, fiel es mir dann wieder ein: viele jahre ist es her, ich war 16 oder 17, da kam ich am rosenmontag von der arbeit nach hause, mitten durch den karnevalszug in der innenstadt von essen. das ist nicht so doll, nicht wie in köln oder so. nur ein bißchen gedröhne und getorkel, aber viel platz drumherum.trotzdem stürzte auf einmal ein betrunkener kerl auf mich zu, gröhlte etwas von: ist doch karneval. im nächsten moment habe ich seine zunge irgendwo tief hinten in meinem rachen. so kam es mir vor. keine sekunde später flog der kerl gegen die nächste wand, besoffene sind leicht zu killen. der ekel blieb dennoch, stunden, tage, soweit ich mich erinnere. abrufen konnte ich ihn noch jahrelang.

so war das. und wenn ich es genau überlege, war das wohl mein erster „kuß“. leider.

[ach so: 160 zeichen reichen nicht. bei weitem nicht.]

hold it! – it's equal pay day

ach was, heute ist equal pay day? gestern noch hab ich daran gedacht, als ich laurie anderson hörte, strange angels von 1989, den song beautiful red dress, in dem es heißt:

OK!  OK!  Hold it!
I just want to say something.
You know, for every dollar a man makes
a woman makes 63 cents.
Now, fifty years ago that was 62 cents.
So, with that kind of luck, it’ll be the year 3,888
before we make a buck.  But hey, girls?

hold it! – it’s equal pay day

ach was, heute ist equal pay day? gestern noch hab ich daran gedacht, als ich laurie anderson hörte, strange angels von 1989, den song beautiful red dress, in dem es heißt:

OK!  OK!  Hold it!
I just want to say something.
You know, for every dollar a man makes
a woman makes 63 cents.
Now, fifty years ago that was 62 cents.
So, with that kind of luck, it’ll be the year 3,888
before we make a buck.  But hey, girls?

grenzwertig

lese im rolling stone ein gespräch zwischen oskar roehler und andreas altmann, die beide gerade bücher über ihre ihre schreckliche kindheit, über ihre achtlosen mütter und ihre leblosen väter veröffentlicht haben. kommt heroisch rüber, zwei alternde männer in leder und schwarz. beinah brachial, diese wut, dieser hass nach all der zeit. und soviel mut, trotz allem und erfolg natürlich. heroisch eben.

tja, wenn ich das täte. ich alternde frau, in leder und schwarz, des pinken ebenfalls nicht mächtig. man würde es dennoch gejammer nennen, möchte ich meinen.

denn die grenzen sind scharf gezogen und werden früh manifestiert, wie ich gestern gelernt habe. es gibt schnuller für mädchen  und schnuller für jungs, ohne funktionellen unterschied. nur die farbe natürlich. und die deko, blümchen gegen raketen. dagegen kommt man nicht an.

act white

als ich zum ersten mal von jane elliott gehört habe ich, war ich selbst noch in der schule. das ist jahrzehnte her, damals ging es um ihr erstes schulprojekt. darüber habe ich in der schule gelernt. ich erinnere mich nur wenig. inzwischen wurde das damals entstandene konzept ausgeweitet. und es gibt einen film, den sollte man gesehen haben.

das falsche ich

heute wurde mir (mal wieder) in einem restaurant auf der suche nach der toilette der weg zu der tür mit dem symbolischen herrn darauf gewiesen. und dann schnell korrigiert, immerhin. wobei ich mir diesmal tatsächlich unsicher war, ob nicht die servicekraft (in der eile) einfach nur die falsche tür erwischt hat. und nicht das falsche ich. was ja so falsch dann auch wieder nicht ist.

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