am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

keine klagen (78)

das mit dem balkon hat nicht geklappt. ich war zu faul, rechtzeitig aufzustehen, und wollte dann doch lieber kaffee. also habe ich kaffee gemacht, statt den empfang für ein stabiles public viewing auf dem balkon auszurichten. das hat sich schließlich sogar als gar nicht so falsch herausgestellt. zum einen kommen am samstag drei verschiedene lieferungen für den späti auf der ecke unter meinem balkon an. einmal ein eiswagen, bei dem natürlich die kühlung weiterläuft. dann zweimal getränke, die auf paletten geliefert mit einem hubwagen über die kopfsteinpflasterkreuzung gescheppert werden. neukölln ist laut. zum anderen ist heute irgendwie kein sommer. morgens hat es geweht, am nachmittag dann geregnet. jetzt regnet es noch immer.

trotzdem. heute, am letzten tag, dann doch noch einigermaßen hineingefunden in das zuhören, diese andere welt der literatur. gerade gut genug, um am ende enttäuscht zu sein, nahezu gekränkt. dass es nun vorbei ist, ohne dass es mich abgeholt hätte oder auch nur erreicht. berührt, so wie sonst eigentlich immer, seit jahrzenten. auch damals, als ich noch nicht einmal im traum daran gedacht hätte, persönlich nach klagenfurt zu reisen.

es waren gute texte dabei heute, einer rhythmisch dynamisch vorgetragen und gleich im anschluss ein beinah hingehauchter. nein, das ist jetzt sicher übertrieben, es hat in der abfolge wohl nur so gewirkt. aber gestern hat mir fast alles besser gefallen, besonders die beiden älteren darsteller. ich meine: autor*innen. die jury dagegen, ich weiß nicht. einige schienen mir durchweg unzufrieden mit dem zwangsläufig digitalen format. ich kann das verstehen. es hat den streit einerseits gefördert, dessen ausleben dann allerdings verunmöglicht. wie das so ist im netz.

die umsetzung im studio dagegen hatte was. ich hätte öfter hinsehen sollen, statt so viel im twitter herumzusuchen. was aber lustig wardie einsame anwesenheit der juror*innen, jedes für sich in seinen zimmerchen. ihre verzweifelten interaktionen, wie vor den bildschirm geworfen. dazu die jeweiligen autor*innen, immer doppelt. einmal die aufgezeichnete lesung, dann noch das livebild von irgendeinem sofa. schweigend mit diesen weißen kopfhörerkabeln, die aus den ohren zu kriechen scheinen. ach, und anko mit seinem blümchen und dem herrn magister. das hatte was.

das war schon ganz gut so und schön. so gut es eben ging, denke ich mal. obwohl auch das eine oder andere schiefgegangen ist. peinlich war aber nur eines: der moment, in dem ein juror gleich zu anfang, also ohne jegliche vordiskussion, die autorin nach dem sinn ihren textes zu fragen versuchte. was diese klugerweise ablehnte. das hat es schon einmal gegeben, letztes jahr oder das davor. ich saß im saal, und es war zu spüren, dass es mit ratlosligkeit, mit verzweiflung fast zu tun hatte. sie wussten nicht weiter, so war es eher eine frage um hilfe. auch das war sinnlos, aber es hatte stil. in diesem jahr war es nur armselig.

nach leseschluss war ich müde, musste aber raus, zum einkaufen. bro und sala. gestern hatte ich kurz überlegt, ob ich anschließend schnell zum optiker, zum noch ausstehenden sehtest fahren sollte. das hatte ich aber heute längst wieder vergessen, außerdem regnete es. nicht wirklich ein hinderungsgrund, aber. gut so.

zu fuß durch den regen, musik von babylon berlin in den ohren. und in meinem kopf die radstrecke raus zum wörthersee, den staubigen kies am lendhafen und all die anderen wege und strecken in klagenfurt. die ich so gut kenne, dass mein körper sie zu gehen meint. wenn ich doch nur hier gehe.

am meisten aber fehlen die menschen, diese welt, der ich ich langsam genähert habe, über jahre hinweg. jetzt ist sie wieder verschwunden.

zum glück weiß ich es besser.

müde bin ich dennoch.

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