am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

keine klagen/101

gruseliger rückfahrtanteil gestern von klagenfurt nach münchen. mit zwei wagen weniger und ohne wlan fuhr der bereits zuvor als mit hoher auslastung angekündigte zug von bahnhof zu bahnhof, sammelte dabei immer mehr menschen ein, dass es immer heißer und heißer wurde. das resultat war eine art sehr langer saunagang mit alkoholaufguss, der freundlicherweise durch die früh zugestiegenen slowenische fußballfangruppe beigesteuert wurde. inklusive grölgesang in stadiontonalität. ich war bedient. und ausgesprochen dankbar für das müncher bett, das mir freundlicherweise gereicht wurde.

bahnfahren ist und bleibt offensichtlich ein wagnis, möglicherweise ein abenteuer, bis an die körperliche und mentale grenze. ich bin heilfroh um die entscheidung, mich für die letzte strecke in die erste klasse gebucht zu haben. hier ist es ruhig, obwohl ich den ruhebereich nicht mehr bekommen konnte, immerhin aber einen einzelplatz. niemand sitzt neben mir. ein segen, das sollte ich öfter mal.

auf dieses weise fast schon entspannt, sitze ich jetzt, wiederum rückwärtsgewandt, in einem fahrenden zug. pünktliche abfahrt, das wlan funktioniert, nur die reservierungssoftware ist ausgefallen. das kratzt mich wenig, es gilt ab sofort wieder: keine klagen! das tut mir gut, einstweilen. beklagen werde ich mich zukünftig nur aus gründen. die werden sich sicher finden.

die preisvergabe habe ich im zug und ausschließlich mithilfe von öffentlichen kurzmitteilungen (bluesky) verfolgt. da hab ich das jetzt auch mal ausprobiert, wie das so ist. irritierend, muss ich sagen. man versteht ja sowieso nicht, was da abgeht. weder am fernseher, noch wenn man vor ort im garten hockt. nichts davon. aber via bluesky, du liebe zeit. abgesehen von der getroffenen wahl, da bin ich erschrocken. das wage ich zu sagen, wiewohl ich darüber hinaus schweige. weil das öffentliche werten und verurteilen nicht meine sache ist. natürlich weiß ich dennoch, was sache ist.

randbemerkung: ich stelle fest, dass auch in der ersten klasse noch vor der abfahrt das tütenrascheln einsetzt, wie auch bei mir eine art von hunger, obwohl ich keine stunde zuvor noch bestens befrühstückt wurde. zum glück inklusive reiseverpflegung. ich kann also nicht klagen.

keine klagen/100

klagenfurt liegt hinter mir, ich fahre in einem gut klimatisierten, etwas altmodischen zug rückwärtsgerichtet nach münchen, und von da aus nach hause. nach berlin. der zug hat kein wlan, ich benutze zum ersten mal die im rechner eingebaute sim-karte. das scheint zu funktionieren, wir werden sehen. die leistung ist ein wenig grenzwertig. immerin ist der zug gar nicht so voll wie angekündigt, überhaupt gar nicht. das ist eine erleichterung, das war alles ein bisschen viel die letzten tage. viele menschen, schöne menschen vor allem. gzte zeit. aber eben auch viele themen, zu den eigenen noch obenauf.

ich glaube, ich habe gar nicht geschlafen in der letzten nacht. jedenfalls kann ich mich nicht recht an ein aufwachen erinnern, dafür an langes wachliegen und denken. ich kann und kann nicht von dem text lassen, dem eigenen, der sich immerzu weiterschreiben will. nicht nur an den texten, am pc. auch in sämtlichen hirnarealen, alles, absolut alles will an diesem text beteiligt sein. dumm ist nur, dass mir seit dem morgen leicht übel ist und mein linkes ohr weit über das normale maß hinaus pfeift, und zwar durchgehend.

vielleicht sollte ich etwas essen? vielleicht sollte ich weiterschreiben? vielleicht sollte ich nachsehen, wie die preise vergeben werden. die beiden frauen schräg gegenüber haben soeben die übertragung via smartphone eingeschaltet. man kennt sich, auch wenn man sich nicht kennt. irgendwie wie motorradfahrer*innen, die sich im vorbeifahren grüßen. das sollten sie zumindest, immer.

das motorrad, ja. das habe ich vermisst. seit ein paar tagen möchte ich ohnehin gerne wieder mal nach hause. zu hause sein. da ist zwar vermutlich alles voller denn je, so lange war ich lange nicht weg. aber die alltagsdinge sind besser geordnet, finden sich von allein. immerhin.

ich schweife ab. ende mit dem bewerb. aber ich will nicht klagen. wirklich nicht.

keine klagen/99

jetzt ist schluss, und es war ein grandioser schluss.

gestern habe ich mich dazu hinreißen lassen, einen siegertext zu verkünden. wie unverschämt von mir, wie anmaßend, wo ich doch nicht klagen wollte! ich bitte um entschuldigung. ich möchte abbitte tun mit zwei weiteren siegertexten: einem klangsprachgebilde, dass man sich am besten vorgelesen zuführt und einer luftverdichtung, die ihresgleichen sucht. das lohnt sich! (und überhaupt: was ist schon ein siegertext?)

das wars dann also in diesem jahr. das studio und das gelände habe ich, wie immer, schwer hinter mir gelassen. diese leere, wenn die literatur zuende ist. beim allerersten mal, vor dreißig jahren am fernseher, wie ich inzwischen herausbekommen habe, war es auch schon ganz genau so. wenn es plötzlich keine worte mehr gibt, so kam es mir damals vor. so ist es heute.

das macht mich traurig, wie in jedem jahr. diesmal vielleicht ein bisschen mehr noch, denn zur auslosung morgen werde ich wohl nicht erscheinen. ich habe ein bisschen umgeplant, und wenn alles gut geht, sitze ich in einem frühen zug. sonst wird mir das alles zu eng. erst münchen, dann berlin. die gewinner erfahre ich also aus dem netz, wenn es kein deutscher zug ohne ein funktionierendes solches ist.

aus dieser traurigkeit geflüchtet habe ich mich diesmal eiligst ins eigene schreiben, im grunde gestern schon. seite für seite, das schreiben geht gut, geht beinah leicht derzeit. das muss ich doch nutzen. der text ist da, in mir vor allem nach wie vor sehr präsent. mein hirn hat ihn nicht gelassen, auch unter all den anderen menschen nicht. all die anderen texte standen sowieso nicht im weg, im gegenteil. da bin ich zu hause, n den worten, der struktur der sprache, des erzählens.

eine andere beruhigung habe ich nicht gefunden. nicht nur gestern nicht oder heute. noch nie.

schreiben hilft am besten.

keine klagen/98

am abend in die nacht hinein an den lendhafen geflüchtet, da gab es tatsächlich etwas mit lyrik & musik, das mir gut gestimmt hat. auf all das noch obenauf, das hatte ich nicht erwartet.

früher, ganz früher, ging es auch an diesem abend immer lang, bis weit in die nacht, den morgen mitunter. (nach meinen maßstäben.) da waren viele leute, und ich war beständig bemüht, irgendwo dazuzukommen. das ging mal mehr und mal weniger gut, in letzter zeit war ich da entspannter. begegnungen werden dann leichter und lustiger. heute war niemand da, bzw. den einen tisch, an dem ich jemanden erkannte, wollte ich nicht stören.

also bin ich jetzt schon wieder zu hause. dahin hatte ich es nicht weit, fast nur ein paar schritte und einmal über die straße. ich bin müde. aber wenn ich die augen öffne und schaue, dann sehe ich. es wird traurig.

keine klagen/97

es ist seltsam, nicht auf der party am see gewesen zu sein gestern abend. es war ein schöner abend, mit leckerstem essen. aber es war eben nicht die stimmung am see, auf aufkommende nacht, die menschen und eine ahnung von leichtigkeit. und vor allem anderen, die radfahrt dort hinaus und die radfahrt wieder zurück in die stadt.

nach den lesungen heute habe ich dann erfahren, dass des facto für alle offen gewesen wäre, wie auch immer sich das geregelt hat. und hätte ich ein rad gehabt, wäre ich allein um der fahrt willen hinausgefahren. und für den fall der fälle halt wieder zurück, trotz knieerguss, coolpacks im eisfach usw. aber ich hatte keines, wie sonst eigentlich immer. ich hätte eines dieser mietappräder, ach verdammt!

meine stimmung knurrt, muss ich gestehen. denn dieser abend fehlt mir jetzt, das gebe ich ganz unumwunden zu. und fürs nächste jahr weiß ich: 1. ein rad muss sein und 2. in den schönen garten geht man einfach hinein, weil es alle machen.

zu den lesungen heute erst im lendhafen, dann ins studio. so wie gestern. den siegertext gab es am vormittag. das prophezeie ich an dieser stelle. das mache ich sonst nie. und es ist ja auch ein wenig unsinn, wie so ein bewerb ohnehin ein unsinn ist. aber dieser text hat mich wirklich derart vom hocker gefegt, wie an dieser stelle noch nie einer.

es gab noch mehr gefallen, wie mir auch gestern so einiges gut bekommen ist. es gab auch sachen, die ich nahtlos weggelegt habe, ohne bedauern. aber ich will ja nicht werten, nicht klagen, nicht richten. also, alles gut.

auch der termin gestern war das vorherige durchgemangel nicht die bohne vonnöten, ganz im gegenteil. zwar ist das fazit mau: es ist, was ist. es ist stillstand. das ist wie tief einatmen, und dann nie wieder ausatmen. eine seltsame art des erstickens. aber es ist auch anders: nichts passiert, doch es geht voran.

ich kämpfe nicht, ich wachse.

keine klagen/96

und auch keine kritik an dieser stelle, dafür sind andere zuständig. das kann man alles auch detailliert bis ins letzte im netz nachlesen. viel spaß.

ich bemühe mich, die wirklich schlecht durchlebte nacht zu bewältigen. was sicher nirgends besser möglich ist als im lendhafen, wo sich ein kleines häufchen hochinteressierter in leicht unterschiedlicher zusammenstellung jahr für jahr zusammenfindet. man sieht sich, erkennt sich, kennt sich schon fast und dann sitzt man und hört zu, weil man etwas vorgelesen bekommt. wie selten im leben. nebenbei geht das leben weiter, müllwagen fahren vorbei, kirchenglocken läuten, radfahrer klingeln und kindergruppen quatschen von oben von der brücke herunter.

nichts davon stört, es ist großartig.

in dieser aufmerksamkeit, dem zeitgleichen hören und denken, stellt sich in mir eine gewisse ruhe wieder ein. wenn ich nicht werte, nicht verurteile, weder mich noch die anderen, wenn nur aufmerksam bin. wenn ich so bin, wie ich bin, wenn ich in den geschichten versinke, denen ich begegne.

nach der pause ins studio gewechselt, was mir einigermaßen gut gefällt. aufgeräumt, allerdings sieht man die lesenden nicht so wirklich gut. alles ist doch sehr auf die juryriege ausgerichtet, naja. das liegt wohl auch daran, dass das nicht unbedingt mein hauptsächlicher fokus ist. im gegenteil. andere sehen das anders. meine sitznachbarin zumindest, sie fing an, immer wenn die kritikrunde begann, sich seitenweise notizen zu machen. (schöne grüße! ; )

manche sind so, andere anders. das ist gut, das ist vielfalt. so braucht es eben schreiber und auch leser, beides.

jetzt zu hause, erst ins netz schreiben, dann ist etwas zeit zum ausruhen. kein rausradeln an den see für mich, keine schöne party, ich bin diesmal nicht eingeladen. und ich habe mich auch nicht um die möglicherweise freigewordenen restkarten beworben. ich gehe mit einer ebenfalls ausgeladenen zum essen, das ist auch schön.

vorher noch ein termin, der mich vorab doch ein wenig durch die mangel dreht. völlig unsinnigerweise, vermutlich.

keine klagen/95

oh himmel, oh hölle.

nach zehn tagen allein in wien, zehn tagen arbeit, mehr oder weniger, aber allein, das auf jeden fall. mehr als zehn tage, zwei reisetage, nicht allein im zug. aber doch allein. und jetzt das.

große freude, menschen zu sehen, die auch kenne, die mich ebenfalls kennen oder zumindest erkennen. literaturmenschen noch dazu. viele sind auch nicht da, dennoch habe ich viel geschaut, getroffen, geredet und all das, was man so macht. mit menschen.

ein bisschen auch zu organisieren und herauszufinden. inmitten von menschenlärm, dass ich kaum noch hören konnte. und das nicht, weil ich nicht mehr gut höre. eher weil meine wahrnehmung hochgedreht hat, bis zum anschlag. alles ein wenig anders hier als sonst, das immerhin habe ich verstanden. aber immerhin finden die lesungen nicht draußen statt.

jetzt wieder allein. kaum zu beschreiben wie es nun in mir aussieht, es ist ein lärm, er sich nicht legen mag. ein guter lärm versteht sich, eine aufregung, die nichts mit angst oder verzweiflung zu tun hat. vielleicht eher mit freude.

ich erinnere mich, vor langer zeit habe ich mal einen test für hochsensibilität gemacht. eher nebenbei, beinah nachlässig. ich weiß noch genau die prozentzahl am ende. ich vergesse alle ziffern nach ein paar minuten, ich kann einfach nicht mit zahlen. aber die nicht, wie könnte ich.

keine klagen/94

einigermaßen geschlafen, besonders zum morgen hin. was hier nicht selbstverständlich ist, der morgendliche stoßverkehr auf der villacher straße ist nicht ohne. noch dazu war heute früh alles nass von regen, und regen ist zusätzlich laut. aber ich hatte ja vorsorglich ohrstöpsel eingeschraubt. ich kann gar nicht sagen, wie froh ich über die entdeckung mir erträglicher verstöpselung bin.

der tag war dann dennoch etwas träge im angang und zusätzlich durchdrungen von kleinen misslichkeiten. als erstes fiel mir der untere kühlschankeinsatz mitsamt der dort eingestellen milch sowie zwei bierflaschen entgegen. das ding war aus der halterung gebrochen und außerdem in zwei teile zerfallen. bei näherer betrachtung fiel mir auf, dass alle bruchstellen bereits wenigstens einmal geklebt worden waren. das war einerseits beruhigend, andererseits hätte ich einen kleinen hinweis schon auch gut gefunden. aber ich will ja nicht klagen, milch und bier haben keinen schaden genommen. den nur wenig später gefundenen wirklich runtergerocktesten topf, ever!, konnte ich mit nur wenig suchen für den preis von acht euro ersetzen. hier ist so ein blechding mit seit jahren heruntergekratzter beschichtung im angebot, aber den wohl niemand mehr benutzen wollen, wenn in zukunft mein hüscher, nachtblauer emailletopf danebensteht.

fazit: es gibt ekelbefreiten milchkaffee. und funktionierendes wlan, was sowieso das wichtigste ist.

soviel zum alltag, danach kam literatur, dafür bin ich ja hier. natürlich war ich auch diesmal bei der lesung des literaturkurses. wie immer mit neugier und verbehalten in einem in etwa ausgeglichenem verhältnis. diesmal war es okay, muss ich sagen. es fing ein bisschen angestrengt an, wie so oft. dann aber wurde es besser, und am ende hatte ich an vier texten meine freude gehabt. nicht durch und durch, aber doch punktuell.

schade nur, dass von dem früheren andrang dort nicht mehr viel zu sehen war. ich traf zwei bekannte gesichter, die ich auch begrüßen konnte. aber all die vertrauten gesichter, die ich kenne, aber eben nicht persönlich, die gab es diesmal nicht.

sagte ich schon, dass ich derzeit alle wege laufen muss. für ein fahrrad war ich zu spät, man konnte mir keines mehr anbieten. ich weiß noch nicht recht, wie schlimm ich das finden will. klagenfurt ohne fahrrad ist eigentlich undenkbar. aber mal sehen.

womöglich zeichnet sich einfach ab, dass klaglosigkeit im leben eine tragfähige masse darstellt.

keine klagen/93

ich weiß nicht mehr, wann ich diese leicht blöde headline erfunden habe. ob das schon 2011 war, als ich das erste mal persönlich herkam. oder erst im jahr danach. jedenfalls bin ich nun das elfte mal hier, zweimal war ja pandemie, und es hat sich vieles geändert. 2011 war ich völlig verpeilt, nahezu in panik und hatte keine ahnung. ich hatte auch kein geld, die ganze reise war derart auf den letzten cent genäht, dass ich versucht habe, mich von salzstangen und miniwürstchen zu ernähren. ich wusste nicht, dass man sich akkreditieren kann und bei wenigstens zwei gelegenheiten kostenfrei vollfressen. vermutlich hätte ich sogar vom buffet klauen können, für die anderen tag. wäre das vermessen gewesen, ein frevel gar? für meine liebe zur literatur. (ich muss an sinéad o’connor denken, die in ihren erinnerungen schreibt, wie sie eine bibel stiehlt, aber gleichzeitig weiß, dass ihr vergeben ist, weil sie sie gebraucht hat. und dass sie später, mit ihrer musik dafür zahlen wird. oder so ähnlich.)

heute bin ich derart mit dem geschehen vor ort vertraut, das ich mich mitunter in einzelne elemente des gerummels verbeiße, die mir so gar nicht gefallen. die sich aber seit jahren in genau die richtung entwickeln, die mir missfällt. auch diesmal ahne ich scheußlichkeiten, die ich so nie, nie machen würde. ich will mich bemühen, das nicht weiter auszuleben. denn darum geht es hier nicht, mir geht es hier nicht darum. ich bin immer noch für die literatur hier, weniger für die kritik.

ich bin hier, weil diese veranstaltung, bei allen häßlichkeiten, genau die eine ist, die sich ganz nah an der entstehung von literatur bewegt. das ist vermutlich nicht immer erkenntlich, auch ich muss mich mehr und mehr bemühen. ich habe mich manchmal zu weit wegtragen lassen in den letzten jahren, tief ins netz. was eine spannende kombi ist, literatur und das selbstmachnetz, damals. aber ich bin eben nicht der multitaskingtyp an der tastatur.

ich mache also ruhig, diesmal noch mehr als im letzten jahr. und ich werde nicht klagen, das steht mal fest. insofern stimmt dieser titel dann wieder, so alt er inzwischen auch sein mag.

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