ich lerne langsam. das ist nicht immer so, aber wenn es um mich geht, habe ich keine wahl. über mich lerne ich nur schwer.
zum beispiel, wie dieses system funktioniert, das doch im grunde gesundheit bringen soll. menschen werden zu patienten. sie werden in unterschiedlich große themenportionen geschnitten und so in die verschiedenen sparten gefüllt. auf den ersten blick ist das sinnvoll, denn niemand kann alles wissen. auf den zweiten und dritten blick dagegen stehen die einzelteile plötzlich vereinzelt da. und mich packt langsam die angst, daß auf diese art letztendlich nichts mehr eine verläßliche aussagekraft haben kann.
seit gestern gibt es sehr schöne röntgenbilder von meinen händen und füßen. die wurden einfach nur gemacht, etwa 7 bis 10 minuten hat das gedauert, und ich, ebenso wie alle anderen beteiligten, habe dabei das gesicht verloren. keiner hat mich gesehen, niemand hat mit mir über die bilder gesprochen. und auch ich wüßte nicht mehr, wem ich dort begegnet bin. ich, die ich mir zuvor überlegt hatte, was ich denn sagen muß, wenn ich gefragt werde. für alle fälle. ich habe ebenfalls nicht hingesehen, habe geschwiegen. nicht einmal nach dem prozedere, das mir weitgehend unbekannt war, habe ich mich vorab erkundigt. obwohl ich mir das fest vorgenommen hatte. einfach vergessen, völlig verloren. in dieser konsequenten fragmentierung meiner selbst, systemimmanent, ich weiß. und dennoch im augenblick immer wieder überraschend.
es ist nicht schlimm. schlimm wäre es, ginge es um schlimmeres als rheuma. meine kraft reicht, vermutlich, um mich wieder und wieder zusammenzusetzen. so war es immer, so ist mein leben. doch es ist traurig, einfach nur traurig.
die bilder dagegen sind wirklich wunderschön. ich habe sie mir selbst angesehen, weil das bislang vermutlich sonst niemand getan hat. so denke ich mir das. ich habe sie mir lange angesehen, stück für stück, vor einer hellen lampe mit der lesebrille im gesicht. da sind sehr sauber gezeichnete knochenstrukturen, zauberhafte linien und muster, sogar fingernägel und hautfalten zu erkennen. da ist der geist von bewegung und handlung zu erkennen, der in allen händen wohnt. da ist begegnung und berührung, die mich berührt. was mich aber am meisten fasziniert, ist die feinheit meiner hände und füße. fast wie bei kindern, ganz zart und zerbrechlich. so bin ich. und dennoch (noch?) völlig intakt, über die jahre und jahrzehnte. wie immer, voll ungeahnter kraft.
meine wunderbaren hände, die ich im alltag derart häßlich finde, für die ich mich so schäme, daß ich sie normalerweise nur ungern herzeigen mag. in gegenwart anderer möchte ich sie am liebsten unter den tisch nageln. vor etwa einem jahr habe ich das auszusprechen gewagt, einmal, und es wurde sofort mitgeschrieben und protokolliert. gut so. denn das zu sagen, war eine unverschämtheit, womöglich, ein akt der verteidigung, der gewalt. vielleicht nicht schlimm, aber ein totales verkennen der lage. nicht nur der beiwohnenden kamera und meinen wundervollen händen gegenüber.
nicht nur das.
und jetzt betrachte ich diese röntgenbilder und erkenne eine wahrheit, die keine medizinische ist.
das ist schönheit.