am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

straßenkampf

seit etlichen tagen, vielleicht auch einigen wochen schon, höre ich neue vogelstimmen in der gegend. die krähen sind es nicht, die kenne ich gut. ich sehe ihnen zu mitunter, wie sie durch den baum vor meinem schlafzimmerfenster spazieren. die neuen stimmen aber fliegen hoch, und ich denke, es könnten möwenschreie sein. wenn mir das nicht irgendwie komisch vorkäme. ja, es gibt möwen in berlin. wo wasser ist, da sind auch möwen. nicht nur an den vielen seen irgendwo draußen, auch an den kanälen im berliner kerngebiet habe ich sie schon gesehen. und natürlich kenne ich ihre stimmen, wie sie am meer klingen. dennoch.

was ich hier höre klingt so, oder ähnlich zumindest, aber ich habe auch zweifel. fliegen möwen so hoch, bricht ihr schrei derart ab, als ginge ihnen die luft aus. ich schaue in den himmel, erkenne eine kleine gruppe vielleicht, die kreise zieht. immer wieder passiert das, und jedesmal denke ich: das sind greife, kann das sein. sind es kleine mörder.

heute gehe ich die weserstraße entlang, schaue nach den umbaumaßnahmen und bei meinem früheren stammcafé vorbei. (da gibt es immer noch nicht wieder dieses schöne frühstücksangebot, wie vor der pandemie, auch keinen mittagstisch.) dann ist da plötzlich ein geschrei und geflatter in der luft bei den bäumen auf der anderen straßenseite. da ist etwas anders, da sehe ich hin. und mit mir andere menschen, ein mann, der ein fahrrad schiebt und eine frau mit kinderwagen.

einer der vögel packt einen anderen, eine fette taube, und fliegt mit ihr weiter, landet im dreck einer baumscheibe ganz in der nähe. die taube flattert noch, doch sie wird niedergehalten. das greiftier mit krummem schnabel hockt auf ihr, lässt sie nicht mehr los. (es könnte ein habicht gewesen sein, das lese ich später nach.)

die menschen stehen dabei, ich bin sogar zurückgegangen, um näher am geschehen zu sein. der mann ist ein bisschen fasziniert, scheint mir, die frau mit dem kind ist eher erschrocken, vielleicht sogar nachhaltig entsetzt. ich bin eher neugierig. nie hätte ich gedacht, dass ich so etwas einmal sehen würde. weil ich mein leben ja vorwiegend in städten verbringe.

wir alle stehen also, außerhalb, wir sind nicht ein teil von dem da, am boden. das tier scheint uns anzusehen. oder auch nicht, ein gleichgültiges vogelauge, das auf seiner beute hockt. das ist alles.

dann sind räuber und beute auf einmal verschwunden. und ich habe nicht einmal gesehen, wie und wohin. ich bin nur ein mensch.

night on fire

nachts, so gegen halb drei, werde ich langsam wach, weil draußen ein mann wütend schreit. einmal, dann nochmal, irgendwas mit ficken. ich greife nach meiner brille und rappel mich hoch, gehe ins wohnbüro, um nachzusehen. für den fall, dass ich dringend die polizei rufen sollte. es ist aber die polizei, die da so brüllt. man solle den balkon verlassen, die tür schließen und überhaupt. keine ahnung, wie mein halbschlafhirn auf „irgendwas mit ficken“ gekommen ist.

draußen steht ein geparkter transporter in hellen flammen. die feuerwehr ist noch nicht da, die polizei bemüht sich, die unmittelbaren anwohner zu schützen. mich lassen sie in ruhe, ich bin weit genug weg. ich schließe auch gleich die fenster, ich mag keine plastik-gummi-feinstaub in meiner wohnung. aber direkt bei dem brennenden fahrzeug scheint das interesse groß zu sein, obwohl die flammen fast bis ans baumlaub reichen und die reifen platzen, einer nach dem anderen.

warum der polizist so wütend klingt, immer noch, das erschließt sich mir nicht.

am ende ist alles schnell gelöscht, die motorhaube aufgebrochen und sicherheitshalber die batterie entfernt. alles gut. nur, dass sich in der kurzen zeit ein haufen von menschen mit smartphones versammelt haben, um das ereignis für die nachwelt festzuhalten. die stehen in gebührenden abstand, wie die polizei es verlangt. also genau unter meinem schlafzimmerfenster.

ich schlafe erstmal nicht. dann schlafe ich doch und träume, dass ich vergessen habe, mit meinen hund gassi zu gehen. und dass ich auch nicht weiß, wie ich das machen soll. ich habe keinen hund, nie im leben hätte ich einen.

am morgen ist schon der abschleppwagen da, an einem sonntag. es ist so ein miettransporter, die firma kümmert sich offensichtlich schnell. zurück bleibt ein haufen dreck und schmodder auf straße und radweg. plastik, gummi, öl und wer weiß was noch.

das war das.

ich schaue fußball, 1:2 verloren, fahre eine kleine runde, das motorrad umparken, ärgere mich ein bisschen, dass die eigentlich fixe verabredung zum essen am frühen abend nicht funktionieren mag, dann mache ich halt weiter mit den steuern, nicht viel, aber muss ja, anschließend koche ich selber.

geht doch.

also

gegen mittag auf einmal latente hektik auf der baustelle vor meinem schlafzimmerfenster. plötzlich sind mehr als drei arbeiter gleichzeitig zu sehen. diese laufen auch hurtig noch hin und her, statt, wie sonst mitunter, mal ein paar minuten untätig im bagger zu sitzen, ein anderes mal still am sandhaufen zu stehen und zu rauchen. offensichtlich ist die bauleitung anwesend.

einer der männer ist ganz besonders aktiv. neben ihm eine kleine frau mit langen haaren und einem packen papier in den händen. sie zeigt und winkt in alle richtungen. er nickt, er ruft, er läuft voraus und kommt wieder zurück. er ist zuständig, ohne zweifel. sie gibt die richtung vor.

die bauleitung ist also weiblich. offensichtlich.

morgens ist auch tag

vorm fenster wird grad losgebaggert. dreimal schweres gerät macht sich daran, die weserstraße aufzureißen. gut, daß es nicht direkt vorm wohnbüro ist, denke ich. dann wäre nix mehr mit in ruhe telefonieren heute.

dumm allerdings, daß es direkt vorm schlafzimmerfenster ist. das denke ich anschießend, denn weit sind sie noch nicht gediehen, die arbeiten am heutigen nachmittag. kaum was zu sehen bislang. morgen ist schließlich auch noch ein morgen. leider. (ich denke und lebe da ja ein wenig anders.)

adrenalin

termin außer haus, zwei stunden englischcoaching. die maschine steht derweil draußen vor der tür an einer straßenecke, als letzte in der reihe der parkenden fahrzeuge. sie steht anders, das sehe ich sofort, als ich wieder rauskomme. ich brauche keinen halben meter, um sie auf den hauptständer zu stellen. doch ungefähr so lang sind jetzt die spuren auf dem asphalt. hat die kiste jemand dahingezogen, oder was? so ein blödsinn.

das rätsel löst sich in dem moment als ich draufsitze und losfahren will. lenker und gabel sind nach links verschoben, alles ist verdreht, irgendwie aus dem lot. wieder einmal. die maschine ist also hingeschmissen worden, umgefahren und dann wieder hingestellt. als ob nichts wäre. na prima, besten dank.

ich fahre weiter, gleich zu meinem schrauber. der ist mir eh noch was schuldig, und so schlimm ist es auch wieder nicht. nur unbequem. und ärgerlich, wenn da noch nicht mal ein zettel steckt. (oder sind autofahrer tatsächlich so blöd, daß sie keine ahnung haben, wie empfindlich ein motorrad ist? soll ich das annehmen, großzügig und gutmütig? ich weiß nicht recht.)

das timing stimmt, mein schrauber winkt aus dem fenster, kaum daß ich vorgefahren bin. beinah im selben moment quietschen bremsen hinter mir und dann kracht es. gewaltig. an der stelle, wo ich vor knapp einer minute abgebogen bin. ein adrenalintag, denke ich. aber harmlos, für mich, zum glück. in zwei stunden ist dann auch die gabel wieder gerichtet.

die leute auf der straße, die kinder vor allem, rennen übrigens sofort los, um das unfallgeschehen aus der nähe zu betrachten. kein fahrrad, sagt die frau aus dem laden erleichtert. keinem was passiert, stellt eine andere fest. nur blech. ich weiß nicht, ob das zutreffend ist oder nur hoffnung. ich warte weiter auf meinen schrauber. die rasen aber auch immer hier, sagt der als er neben mir steht. ich weiß, ich wohne auch an der weserstraße.

den roten wagen hat es bis auf den bürgersteig geschleudert, das sehe ich aus den augenwinkeln. mehr mag ich nicht. ich mache auch kein foto, fürs blog hier. nö. wozu?

kulturprogramm: neukölln

so! heute abend um 19 uhr gehe ich dann mal vor die tür, ein paar meter um die ecke nur, in die weserstraße 164 zur galerie elm75, wo die installation „1-Euro-Job“ vernissiert wird.

vielleicht treffe ich dort ja meinen niveauvollen nachbarn, der es auch nicht weiter haben dürfte. und überhaupt: ist schon eigenartig, in diesem neukölln mit seinen telefonshops, wettbüros und spätkaufs eine galerie zu besuchen. allein deshalb.

[bildquelle: www.oma-meier.de]

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