am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

winter in berlin

schnee in berlin, mein erster. nein, nicht ganz, anno 83 im februar verbrachte ich drei wochen hier. und ganz westberlin war mit einer festen eisschicht überzogen. naja, ostberlin vermutlich auch, aber da war ich nicht. ich wohnte bei einer freundin in einer einzimmerwohnung, die nicht geheizt war. es gab keine badewanne oder dusche, nicht einmal warmes wasser. ich erinnere mich, daß ich lange haare hatte, seinerzeit. aber ich weiß nicht mehr, ob ich sie drei wochen lang nicht gewaschen habe. ob ich mich überhaupt gewaschen habe?
der erste liebenkummer trieb mich in die stadt, eine art flucht also. ich schrieb darüber, weil mir immer so kalt und so langweilig war. länger als zwei stunden hielt ich es draußen nicht aus. ich hatte kaum 100 mark für die drei wochen, es gab also auch keine unterhaltung. nur döner, damals noch ganz neu für mich. immerhin, so habe ich überlebt. bei der freundin konnte man nur ein fernsehprogramm empfangen, dazu gab es damals noch sendeschluß und solche sachen. im radio dudelte udo lindenberg, der nach pankow wollte, in einem sonderzug. oder die boomtown rats, die mondays nicht leiden konnten. und blonie natürlich.
ich bin dann auch irgendwo gewesen, ich weiß nicht mehr wo, und habe vorgelesen. das erste mal in meinem leben. peinlich, diese erinnerung. aus handschriftlichen notizen über quälereien zu lesen, die kaum ein paar wochen zurücklagen. real life sozusagen, völlig unkaschiert. was tut man nicht alles, hemmungslos, wenn man jung ist.
ohnehin bin ich ja dann wieder zurückgefahren. am nächsten tag, glaube ich. und zuhause haben alle gesagt, daß sie dachten, daß ich bleiben würde.
bin ich nun auch. endlich. mit einer ausgedehnten zwischenstation in wtal. (schnee im bergischen macht aber mehr her, das muß ich hier mal festhalten. oder etwa nicht?)

warum ich in berlin bin:

weil ich wieder schreiben wollte. ganz neu anfangen. und das mache ich jetzt. so einfach ist das. (alles andere ist nebensächlich, das wird sich finden, mit der zeit.)

nachtopfer

nachts brüllt es hysterisch, unten auf der straße. oder ist es schon morgen? eines meiner fenster ist offen, wie immer. so ist alles immer sehr nah. unten sind keine worte, nur stimme. angst vielleicht. ist es ein mann? oder eine frau? braucht es hilfe?
ich schlafe, eigentlich, werde nicht richtig wach. ich liege auf dem rücken, das zumindest spüre ich. wie in einem sarg, die hände auf dem bauch gefaltet. sie scheinen meinen atem zu kontollieren, auf und ab. das ist es, was ich wahrnehme.
dann knallt es. das schreiende etwas läuft, rennt weiter, und wieder kracht etwas. rennen, schreien, krachen. immer leiser, immer weiter weg. jetzt bin ich wach.
aus dem küchenfenster sehe ich mein motorrad auf der seite liegen. kein guter anblick. eine halbe stunde später hebe ich sie (die maschine ;-) zusammen mit einem schnauzbärtigen polizisten (den ich nicht gerufen habe) wieder auf. sie hat es gut überlebt. meistens passiert nicht viel, wenn sich die dinger aus dem stand hinlegen. die hebel brechen ab, die spiegel, vielleicht der eine oder andere blinker. die vergaser laufen voll und, wenn der tank gut gefüllt ist, läuft sprit aus dem deckel. das ist alles.
diesmal ist nichts, auf den ersten blick. die gabel okay, ein paar frische kratzer. was aber nichts macht, bei der alten maschine. die kawa ist offensichtlich gut proportioniert.
ich hoffe nur, daß ich jetzt nicht noch meinerseits ärger kriege, weil die kiste noch das wtaler kennzeichen trägt.
seltsam ist, daß ich seit tagen gedacht habe, daß das ein schlechter platz ist für die maschine. daß ich, weil ich in den letzte drei wochen kaum gefahren bin – die kälte, die fremde, das ist mitunter einfach zuviel – nicht genug mit dem ding verbunden bin. daß ihr etwas passieren könnte, bald schon. überhaupt: längst hatte ich polfett besorgen wollen, wenigstens das, für den einen kontakt der batterie, der ohnehin immer viel zu sehr oxidiert. weil er mit recht unortodoxen mitteln zusammengeschustert ist. irgendeine schraube, eine fette mutter als stütze, damit das kabel nicht zu sehr verbiegt. und die kleinen 12-volt-akkus sind ja ohnehin mehr als anfällig…
seltsam ist auch, daß ich offensichtlich mit den dingen mehr verhaftet bin als mit den menschen. oder ist das nur im moment so? im ersten winter in berlin.

ich bin gerne, wo ich bin. ich vergesse es nur auch gerne mal.

jetzt

vier wochen in berlin. naja, eigentlich drei, die erste kann ich nicht wirklich mitzählen, da war ich in gedanken noch in wtal. und schließlich auch noch fast drei tage vor ort zur wohnungsauflösung. drei wochen also, größtenteil allein, mitten im organisatorischen chaos, das sich aber langsam zu lichten beginnt. beinah könnte man es schon wohnen nennen. noch nicht ganz, aber doch. irgendwie. es wird.
kaum ist also ein bißchen zeit übrig, kaum öffnet sich der horizont langsam über die besagten vier wände hinaus, auch über die zu besuchenden ämter und behörden. da setzt der schmerz ein, die konsequenz der tat. ein bißchen auch angst vielleicht, weniger vor der größe als vielmehr vor der fremdheit. vor mir. die schritte, die wege, immerzu mit stadtplan. dennoch laufe ich immer wieder auch in die falsche richtung. besonders auf dem motorrad ist das anstrengend, das trau ich mich noch kaum. aber das muß auch nicht, es gibt wenig anlaß. außer morgen vielleicht, futter für das tier, das stickt wie ein puma, weil sie immer noch kein wiedererwachendes interesse an fell- und intimpflege an den tag legt. ich hoffe das legt sich mal wieder. auch die pflanzen kränkeln noch, und die eine oder andere wird wohl aufgeben, denke ich.
alles in allem also kein wunder, daß auch ich irgendwann dran sein muß. kränkeln oder zweifeln, im alleinsein vergehen. obwohl das wirklich nicht mein problem ist. normalerweise. eher im gegenteil. der gürtel ist auf dem vorletzten loch angekommen, mußte ich heute zu meiner überraschung feststellen. keine ahnung warum, da war ich seit jahren nicht mehr. ein paar von den hosen, die ich noch vor dem umzug resigniert entsorgt habe, hätte ich also durchaus behalten können. aber das soll jetzt nicht mein problem sein.
jetzt ist alles anders.

be- und entsorgungen

es wäre natürlich wesentlich besser, die notwendigen löcher in die wände zu bohren, bevor die möbel direkt davor im weg stehen. es wäre auch besser für die möbel, die dann nicht so staubig würden, jedes mal aufs neue. andererseits: woher soll ich wissen, wo die löcher hinmüssen, wenn ich die möbel noch nicht zurechtgerückt habe? es wäre im grunde auch eine gute idee, nicht jeden tag zum baumarkt zu fahren, sondern vielleicht einmal die woche, mit einer langen, ausgefeilten liste. da ich allerdings bislang jedesmal mit dem fahrrad hingefahren und zu fuß, bepackt bis über beide ohren, wieder zurückgelatscht bin, erübrigt sich jeglicher versuch einer umsetzung. lustig wird das bei der allerneuesten eingebung (videoregal im flur, gegenüber von bücherregal), denn das ist beinah absehbar, daß ich da zweimal laufen muß.
überhaupt ist berlin eine latschstadt, alles ist ganz in der nähe, aber irgendwie auch unheimlich weit weg. zumindest zu fuß. kein wunder, daß es hier soviele fahrräder gibt. kein wunder auch, daß meines, inzwischen ca. 26 jahre alt, sich freudig wiederbelebt.
außerdem scheint mir berlin die reinste sperrmüllwüste zu sein, es gibt kaum eine möglichkeit seinen groben müll loszuwerden. zumindest wenn man kein auto hat und sich nicht für jeden blauen sack an das fachpersonal wenden will. für teures geld, versteht sich. überall steht dafür der ramsch auf der straße. drei kühlschränke, zwei sofas und diverse andere, zu kleinholz zermergelte möbelstücke, allein auf dem weg von der sparkasse zu mir nach hause. ich habe heute dementsprechen den sack übriggebliebenen bauschutt und das sägemehl der küchenbodenrenovierung – illegal – in den hausmüll entsorgt. im dunkeln, versteht sich, und wohlweislich heute, denn heute morgen gegen sieben wurde gelehrt. so liegt das zeug nun ganz unten in der tonne, und meine chance, nicht enttarnt zu werden, ist möglicherweise etwas besser.

zuzug

wenn es stimmt, daß man zur ‚Anmeldung bei Zuzug nach Berlin‘ die geburtsurkunde mitbringen muß – wie ich gerade lesen mußte – dann wird es aber lustig, morgen, wenn ich versuchen werde, mich hier zu legalisieren. soetwas besitze ich nämlich nicht.

größe?

daran denkt man nicht, beim einpacken, wie lange das auspacken dauert. auspacken und aufbauen und einräumen. dabei hab ich die bücher noch nicht einmal geordnet, nur schnell ins regal gestellt, ca. 30 kartons. jetzt steht adorno neben rita may brown, pirandello neben elke schmitter und ‚LUCAS‘ neben virginia woolfe, warum eigentlich nicht? (that was name dropping, i know! ;-) außerdem lichtet es sich langsam im arbeitszimmer. ich beginne zu ahnen, wie ‚unverschämt groß‘ die neue wohnung ist, wie es sein wird, darin zu arbeiten, zu leben. aber müde bin ich, richtig müde, immerzu.
und da draußen ist berlin.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner