am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

muss, muss, muss

also: hat sich heute alles ein wenig anders entwickelt, als ich mir das gestern so gedacht hatte. wobei: äußerlich betrachtet nicht unbedingt, wirklich erwischt hat mich sicher niemand dabei. wobei: gegen mittag zum beispiel schon den ersten alkohol zu mir genommen, ein klein wenig unter zwang, höchst öffentlich an einem der messestände. gut: leckersten bitter aus der schweiz, wenn mich nicht alles täuscht, das geht in ordnung. hatte ich lange nicht. und überhaupt: menschen getroffen, absichtlich auf sie zugegangen und mit ihnen gesprochen. damit hatte ich gar nicht gerechnet, das war gegen jeden plan. noch weniger: dass ich mich zu neuen ideen so halb fast ein bisschen habe hinreißen lassen.

verdammt!

jetzt ist es dunkel draußen, eher kalt, nicht mehr so stickig und heiß, wie unter den hallendächern. jetzt weiß ich nicht mehr, ob das so gut war. ich schaue in den alten text, abgestanden und mir fast schon fremd, statt mir den neuen vorzunehmen, der so unausgegoren, halbgar und verzweifelt neben mir liegt. (warum eigentlich? was soll der hier? was will ich?) der alte dagegen, der wie angeklebt ist an mir und einfach nicht weg will. oder anders natürlich: kein verlag will ihn haben, so sieht es doch aus. der alte ist lange über seine zeit, er trieft schon und stinkt. ich kann und will ihn nicht mehr sehen. ich will ihn begraben, eigentlich.

ich will nur noch weg.

ich hätte gar nicht erst herkommen sollen, ganz grundsätzlich. immer wieder lande ich bei der einen frage, was ich falsch gemacht haben könnte. und wann, vielleicht vor jahren schon, jahrzenten, eine grundsätzlich falsche entscheidung getroffen. schreiben statt leben. wenn das so ist, dann ist das lange her, über vier jahrzehnte. das ist nicht mehr zu ändern, zu retten.

also: ich muss mich sortieren, ich muss es ertragen. ich hab das so gewollt. ich muss, ich muss, ich muss. das ist alles nicht mehr schön.

kein allerlei

schon wieder unterwegs, ich weiß auch nicht warum. vor allem, weil ich ebenso nicht mehr weiß, was ich auf der buchmesse soll. lange habe ich es geliebt, hier zu sein, habe es mir vom mund abgespart, wie dramatisch. ein tagesticket nur, zu anfang, ein einziger tag, dazu die busfahrt und die nerven. jetzt habe ich ein dauerticket, eine kleine einzimmerwohnung für vier tage und eben war ich zum essen aus. wiener schnitzel, das wollte ich schon lange mal wieder. aber in wien traue ich mich das irgendwie nicht. da habe angst davor, einfach nur so ein blöder tourist zu sein, der seine liste abhakt. das bin ich nicht, nicht dort.

hier in leipzig bin ich das, so sieht es aus. es gibt keinen anderen grund. ich freue mich gerade einfach nur, hier zu sein und nicht in berlin. obwohl ich heute morgen noch die last des reisens deutlich gespürt habe. ich habe sogar die eingeplanten zwei, drei übersetztungsarbeitsstunden ausfallen lassen, hötte mich sowieso nicht konzentrieren können. dafür ist jetzt eine pause im hirn, fast ein bisschen urlaub. ich mag diese stadt, sehr sogar, alles ist gut.

die anreise verlief reibungslos, keine fünf minuten verspätung, das ist quasi nichts. die bahn tut gerade alles, mich zu besänftigen. sollte ich nächste woche tatsächlich in den direktzug nach wien steigen können, werde ich vermutlich auf die knie sinken vor dankbarkeit. nach dem bahnfahrtstündchen heute habe ich auch die richtige straßenbahn auf anhieb gefunden. so ist das, wenn man die fremden städte langsam kennt, wiedererkennt auch, und mag. außerdem ist es dieselbe wohnung, wie im letzten jahr, der exakt gleiche weg. da ist es leicht.

das wetter ist wunderbar warm, heute ist frühlingsanfang. die sonne ist zurück, und sie hat kraft. es wird heiß sein, wie immer, unter dem glasdach auf dem messegelände. mal sehen, ob ich es schaffe, morgen recht früh hinauszufahren. und nicht allzu spät zurück, sonst wird es auf der rückfahrt zu menschenvoll. am freitag dann sieht es schlecht aus: es mag keinen bahnstreik geben, derzeit, aber der hiesige öffentliche nahverkehr macht da einen tag pause, habe ich gerade zufällig erfahren.

mals sehen, wie es morgen so läuft. es gibt kein gedrucktes programm mehr, und die app hat wohl ähnliche macken, wie die der re:publica auch immer, jedes jahr aufs neue. das kommt mir nicht besonders entgegegen, ich verliere ja schon auf papier komplett die übersicht. obwohl ich da rücksichtslos mit eselsohren arbeite. möglicherweise bleibe ich also am freitag einfach in der stadt, setze mich doch noch an anstehenden übersetzungen, an andere schreibarbeiten oder ich laufe ein bisschen durch leipzig.

keine ahnung. diesen geflügelten begriff verwende ich auffallend häufig in letzter zeit.

was ich will

am morgen, beim aufwachen halte ich mir beide hände vors gesicht, als wollte ich nun wirklich nichts mehr. sehen, hören, leben. nicht einmal im traum, denn so habe ich wohl auch geschlafen. gesichtslos, hinter meinen händen versteckt.

dabei ist heute eine art freier tag, an dem ich arbeiten kann, wie ich will. oder eben auch nicht, wenn ich nicht will. so ähnlich mache ich das dann auch, ein bisschen was übersetzen, dann in den baumart und die schuhe vom schuster holen, anschließend wieder was arbeiten und dabei auf den paketboten warten, dessen digital angekündigtse ankunftszeit sich nach und nach um über zwei stunden nach hinten verschiebt.

ich wundere mich ein wenig, ärgere mich aber nicht. ich weiß durchaus, was diese menschen schaffen. am ende stellt sich heraus, das es ein ganz neuer bote ist, der noch dazu mit sechs zum teil riesigen und schweren kisten ins haus kommt. ich höre, wie er versucht, alles im erdgeschoss abzuladen, doch da wimmelt man ihn ab. ich gehe hinunter, weil ich mein paket haben will. damit habe ich die heutige paketsammstelle des hauses gewonnen.

dabei verstehe ich den paketmann kaum und er mich nicht. wir finden auch keine gemeinsame sprache. er bietet spanisch und französisch an, beides ist bei mir kaum vorhanden. englisch dagegen kann er nicht. ich frage mich, von wo er wohl kommt, aber das kann ich ihn nicht fragen. ohnehin arbeitet er angestrengt, kommuniziert mit blicken und gesten, legt vor allem immer wieder die hände zusammen. zum dank, dass ich ihm seine last abnehme und in meine wohnung staple. dabei sollte ich ihm geld dafür zahlen. mein flur ist am ende so voll, dass ich kaum noch durchkomme.

anschließend setze ich mich für eine kleine runde auf die maschine. im grunde muss ich sie nur umparken, auf die andere straßenseite stellen, weil in der neuen kita, dem café, der kneipe oder wasweißichwas gegenüber wohl gerade endspurt herrscht. es wird gearbeitet bis in die nacht, ständig kommen lieferungen: bretter, eimer, möbel, herde. dazu menschen, die das zeug verwenden oder einbauen, vermutlich. jetzt ist draußen für zehn tage ein großzügiges parkverbot eingerichtet, da bin ich mal gespannt. ob es so lange dauert, ein schild hinzuhängen? ob sie die fassade bemalen? oder was?

keine ahnung, aber egal. wie überhaupt alles irgendwie egal ist. was macht es schon, was ich will oder nicht will. das war ein so schlechter tag dann doch nicht heute.

strecke machen

am morgen scheint die sonne in dresden. es wird ein schöner tag, das steht fest. so hätte es gestern sein sollen, aber das war es nicht. ich würde gerne noch bleiben, etwas fehlt noch, das spüre ich. das, was ich will in dieser stadt, etwas, das mir gehören würde. doch die planung ist anders. ich wünschte, ich wäre eine bessere reisende, würde vor allem die wegstrecke nicht so ernst nehmen. so ängstlich und latent wirr, wie oft schon wurde mir das vorgeworfen. aber es hilft ja nichts.

mich heute nicht in das nachstreikbahnchaos zu stürzen, war eine gute wahl. allein die vorstellung, in überfüllten zügen stehen zu müssen, regungslos über stunden, auf einem bein womöglich. da steht dann doch mein vergleichsweise harmloses rheuma dagegen. die abwicklung der rückfahrt via autobahn verläuft reibungslos. der bus ist pünklich, fährt die strecke glatt durch und kommt pünktlich an. die bahnen in berlin fahren wieder. gut.

unterwegs lese ich ein halbes buch. kein dickes, keine zweihundert seiten, aber immerhin. nur dass ich dazu immer fahren muss, bzw. gefahren werden muss, das muss ich überdenken. dass meine lese- und denkräume nur noch auf strecke stattfinden, auch in der u-bahn, auf dem weg in die arbeit zum beispiel. zu hause findet das kaum noch statt, keinen ahnung. warum?

denkräume und schreibzeiten, denken und dann schreiben also. ins leere greifen und wissen. wie ich das vermisse!

dass ich den neuen, anzugehenden text mit nach dresden genommen habe, war ein unsinn. das hätte ich wissen müssen, dass dafür die zeit zu wenig sein würde. dazu hätte ich länger bleiben, länger planen müssen, vor monaten schon. aber was weiß man schon so weit im voraus. besonders, wenn man eine so schlechte reisende ist, wie ich es eben bin.

jetzt ist es dunkel draußen. und ich verstehe überhaupt nicht mehr, warum ich diese reise von grund auf so schräg angelegt habe. es hätte schön sein können.

freude mit schokolade

gestern war dresden sonnig und handwarm, heute leider bissig kalt. das war vor ein paar tagen ganz anders vorhergesagt. besonders dieses nacht jetzt wird bitter, aber morgen schon soll dann wieder ein bisschen frühling erscheinen. doch der bahnstreik zwingt mich zu umdisponierungen. der gebuchte zug fällt natürlich aus, und alle alternativen, via leipzig oder halle, dauern ewig. oder sie offerieren eine umstiegzeit von knapp vier minuten, das würde ich mich bei der deutschen bahn nicht einmal im regelbetrieb zu buchen trauen. deshalb geht es jetzt morgen mittag bereits flix in einen bus, den letzten der noch buchbar war. damit fällt leider der gemütlich geplante letzte dresdenhalbtag grundlegend aus. das ist schade. dafür bin ich aber vermutlich recht zuverlässig und früh wieder in berlin. auch gut.

früher bin ich öfter mal bus gefahren, als ich mir die bahn noch nicht leisten konnte. viel anders ist das nicht, auch die busse kommen mitunter deutlich später. oder man sitzt drin, steht dann im stau und wartet, wartet, wartet. auch nach dresden bin ich mit dem bus, das weckt erinnerungen. wie überhaupt dresden mir seltsam vertraut war, diesmal. unangenehm vertraut, muss ich sagen. ich kenne viele orte und wege, mehr als ich dachte. ich erinnere mich. ich gehe dort hin, aber ich will nicht bleiben, ich kehre nicht ein. es sind keine schönen erinnerungen, es sind abschiede. jetzt. alles ist endlich.

das wetter also passt zu meiner stimmung, na klar. und der streik reißt mich da raus. alles gut.

in dem feinen schokoladenladen von damals, in dem war ich dann aber doch. ich schaue und ich kaufe, wie könnte es anders sein. im anschluss an den bezahlvorgang wünscht mir die verkäuferin: viel freude damit. freude mit schokolade, sage ich. und: was für ein motto. wir verstehen uns, wir lachen.

körper und stimme

kurz vor streik gibt die deutsche bahn ihr bestes. der zug fährt pünktlich los, sammelt unterwegs fünf verspätungsminuten, holt diese zum ende aber wieder raus. ich komme also pünktlich in dresden an. das hotel ist eher eine art appartment mit küchenzeile und balkon, aber ohne empfang, ohne personal, ohne frühstück oder so, nur mails, codes und nummer. der zugang klappt reibungslos, so ähnlich wie airbnb, nur ohne diese schlüsselboxen. es ist seltsam, das haus ohne schlüssel zu verlassen. also so ein ding in der hosentasche, welcher art auch immer. nur diese ziffernfolge im mobiltelefon, weil ich zahlen nicht im kopf halten kann. schon gar nicht so viele, dreizehn sind es.

es ist ein bischen ein wunderbares gefühl, ein luxus, ein privileg, an einem anderen ort etwas zum wohnen und schlafen haben zu können. ein dach, einen ort.

ich habe gut gewählt. vom fenster aus sehe ich die spitze der frauenkirche und unten fahren keine autos, nur straßenbahnen. googlemops will mich mit der zu-fuß-suche einen umweg von eineinhalb kilometer zum kulturpalast laufen lassen. ich gehe aber die radfahrroute, kürze noch ein bisschen ab, es sind kaum fünfhundert meter. sowas bin ich gar nicht mehr gewöhnt, berlin ist da so unbedingt anders.

bodies wird wohl als das aufwendigste wie auch teuerste konzert meines leben in meine persönliche geschichte eingehen. erste buchung in das erste pandemiejahr hinein, als ersatz ein bodies-t-shirt bestellt. zweite buchung, superplatz und krachend teuer, aber in der philharmonie! und ich vergesse hinzugehen! mit der dritten buchung gehe ich in die vollen, ich buche: ein ticket für desden, zwei züge und ein appartment für zwei tage. yes!

es war toll, nur körper und stimme. (naja, fast. es waren mikros im einsatz. zum teil auch markant.) wenn das nochmal in berlin stattfindet, in der philharmonie vielleicht, dann bin ich wieder dabei. vielleicht versuche ich, mit meinen alten ticket durch den einlass zu kommen. immerhin ist das unbenutzt.

diesmal hat also alles geklappt, wenn nur nicht das mit dem streik anstünde. der ist zwar für meinen zug wieder vorbei, aber nur so gerade eben. wir werden sehen.

geworfen

seltsam kalter tag heute, ich friere immer noch. das mag an der arbeit gelegen haben, der fremdarbeit, wo es immer wieder dieses moment gibt, dieses ding, das mich behandelt wie einen sklaven. es ist nur eine maschine, die mir das befolgen von regeln abverlangt. die regeln liegen aber nicht auf dem tisch, ich kann sie nicht anfassen, angreifen, begreifen. ein ideengeflecht, dessen sinn und zweck ich verstehen kann, nicht aber die funktion. die mechanik beruht auf gedanken, vielleicht, die ich nicht fassen kann. das ist selten, ja, aber es ist eine maschine. rechnerbasiert.

da ist nichts, ich bin verloren, verzweifelt.

wäre diese maschine ein mensch, ich würde sie anschreien wollen, schlagen vielleicht, zumindest imaginär. weil sie mir tut, was sie tut. doch es ist nur ein monster, ein nichts, das mir die freiheit zu handeln raubt, mir den spielraum nimmt, jede imagination. es sperrt mich ein, schließt mich weg, wie das kind, das ich war. damals.

und ich warte, ich ahne. dass ich es bin, meine eigene ichmaschine, die sich sperrt. die erinnerung an das gefangensein, die angst darum herum. die gewissheit, dass es nichts zu tun gibt. für mich, rein gar nichts, um dem zu entkommen.

doch es ist spät, zu spät. ich bin alt, und da war diese pandemie. das ist ein trost. mein versagen ist nicht wichtig, es ist alltag. ich weiß das, ich wundere mich nur. dass andere das nicht in mir sehen. ich nur weiß, ich bin anders. ich tauge nicht. für die meisten menschen ist corona längst vorbei. krank wird man schließlich immer mal, und man ist ja nun vielfach geimpft, also egal. mich aber hat die pandemie am schopf gepackt, aus der welt gerissen und durch die luft. anschließend wie weggeworfen, irgendwo abgeschmissen, liegenlassen.

wo ich bin lebt ein krieg in mir, so war es immer. es gibt keine illusionen mehr, keine hoffnung. nur die zeit, die vergeht. so bin ich geboren, gemeint vielleicht.

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