endlos gerödelt heute, aber kaum gearbeitet. zwischen allem habe ich nichts mehr im sinn, rein gar nichts. die welt, wie sie mir war, ist nicht mehr. auch wenn alles schon fast wieder ist wie immer. es sieht nur so aus. es kommt nicht wieder.
ich muss alles neu oder anders. oder eben nicht. lernen. das ist schmerzhaft, ich bin zu alt.
also ich muss nichts, ich muss nur arbeiten. schreiben! auch das ist schmerzhaft. aber ohne das sehe ich nichts mehr vor mir, wie früher. keine zeit, keine welt. kein sein.
es ist vorbei, ich bin geimpft. und es hört doch nicht auf, nie wieder. so ist das jetzt. und das macht nichts, auch das kenne ich. gut.
inzwischen habe ich mich verabschiedet, lange schon, ohne dass ich es recht gemerkt hätte. von meiner vorstellung vom leben vor allem, all den illusionen, die ich zwar weder vor mir hergetragen, noch tief in mit verborgen hatte. wohl aber war da etwas, besonders in gegenwart anderer. als müsste da etwas sein, ein anspruch an das eigene leben über das leben desselben hinaus. jetzt bin ich nicht mehr, ganz einfach. und ich will auch nicht mehr sein, was immer ich einmal gewesen sein mag. eigentlich bin ich sicher, dass da sowieso gar nichts war. immer schon.
mit der welt gehen auch die menschen. die meisten verschwinden einfach, weil ich den aufbruch so schnell nicht mehr kann. ich bin langsam geworden, sehr verloren. und sie laufen längst wieder rund, da bin ich natürlich unerreichbar. oder den aufwand nicht wert, keine ahnung. den einen oder die andere muss ich massiv abwehren, weil viel zu aufdringlich, eindringlich und übergriffig. soetwas will ich erst recht nicht mehr in meiner nähe, dieses bespaßjubeln und alles wieder gut. das ist eine fehlinterpretation, das bin ich nicht. nie gewesen. das strengt einfach nur an über tage und wochen mitunter. immer schon.
ein paar wenige menschen ekeln mich. das erschreckt mich am meisten, dass ich das bin. immer noch, ich bin ekel. denn wenn ich ehrlich bin, waren mir diese menschen schon immer unangenehm. und ich habe das immer schon gewusst. doch ich habe sie reden lassen und glauben lassen, gegen mich, ohne für mich einzuschreiten. jetzt ist alles ekel, das habe ich nun davon. zum glück ist es niemand in meiner nähe, kein mensch in oder aus berlin, nur flüchtige begegnungen und überbeanspruchte bekanntschaften. das also muss aufhören.
alles andere kann ich leben, das weiß ich. das könnte spannend werden. oder aber ein elend, mal sehen. mir ist alles recht.
es wird menschen geben, die diese pandemie wie eine misslungene episode, einen bösen traum vielleicht abschütteln werden. bald schon, womöglich. es werden die sein, die vorher schon leben konnten, als stünde dieses leben nicht ohnehin immerzu auf der kippe. die ahnungslosen, die von verletzlichkeit nichts verstehen und von verderben. das ist ein geschenk und eine schande. es ist eine bürde.
es wird menschen geben, die diese pandemie wie ein persönliches menetekel vor sich hertragen werden, die die toten zählen und das elend, wie trophäen ihrer festen überzeugung. jetzt schon und für lange zeit vermutlich. weil das sterben im leben nicht enden kann, ohne jemals irgendeine bedeutung. das bleibt. das sind die guten menschen, die mitfühligen besserwisser, voller verachtung und stolz. die, die von sich selbst nichts ahnen. das ist eine qual, kein glück. das tut mir leid.
auch mich wird es geben, denke ich. ich weiß nicht, noch nicht, was diese pandemie mir bedeuten wird. demnächst dann, irgendwann. welchen tiefen sinn, und wie ich weiter leben soll. keine ahnung. das liegt nicht an mir, denke ich. es wird nach mir greifen, das leben, und ich bin bereit. ich bin gespannt sogar, wie es wird. wenn ich mich wieder auswildere in die welt, zu den menschen. irgendwann.
aber sicher ist nichts, das war es noch nie. das ist der unterschied.
einerseits ist da die erleichterung, die womöglich gerade viele menschen erfasst. verbunden mit einer art hoffnung, dass das alles nun anfängt aufzuhören. wo auch immer das hinführen wird, das aufhören, was also damit anfangen könnte. wie es dann aussieht, das leben, meines und das der anderen. wie es sich verändert hat.
erleichterung auch, weil das impfthema für mich einigermaßen überraschend so gut wie durch ist. vor zwei wochen schon war der erste termin, der zweite, einstweilen abschließende steht auch schon. auch im zusammenhang mit der derzeitigen missplanung ist das durchaus erleichternd, denn ich mag mir gar nicht vorstellen, ich wäre jetzt noch auf der suche nach einer impfmöglichkeit. erfolg scheint diesbezüglich kaum möglich, derzeit, und ich müsste der tatsache ins auge sehen, in ein paar wochen womöglich mit meinem dauerhaft minimierten immunsystem in einer immer gedankenloseren welt herumzulaufen. im bevölkerungverdichtetem neukölln noch dazu, mit all den völlig zu recht freidrehenden energien, gefälschten impfbescheinigungen auch und anderen lügen. oder eben nicht herumzulaufen, obenauf, auf die vierzehn, fünfzehn, monate, die es dann sein werden, immer noch und noch länger allein zu hause zu sein. zu müssen am ende, mehr noch als je zuvor.
von urlaub rede ich an dieser stelle übrigens nicht, von reisen und fluchten in weite welten. das liegt mir fern. ich rede ausschließlich davon, diese wahrlich nicht selbst gewählte menschenleere wieder aufgegeben zu dürfen. zu müssen, dringend. ich werde das tun, egal wie die regeln lauten. vier wochen noch, die zeit und die zahlen. wie es aussieht wird dann alles so sein, dass es mir passt.
anderswo ist krieg, das will ich nicht vergessen. jetzt, in diesem moment. mit der erleichterung können die dinge sich auch ganz anders entwickeln, als die hoffnung es vorzugaukeln vermag.
alles still draußen, tatsächlich. alles dunkel auch, schlafen die alle schon? sind sie überhaupt noch da? die menschen, die nachbarn, was tun sie gerade? manchmal höre ich ein fahrzeug, vor allem immer wieder das laut heulende motorrad aus der direkten nachbarschaft. spät in der nacht ist das, egal wie kalt es ist. wohl weil die straßen jetzt so schön leer sind. vermute ich jedenfalls, ich weiß es nicht.
ich bin auch still, und ein bisschen betrunken. das bin ich neuerdings fast jeden abend. ein kleines bisschen nur, aber naja. es ist kaum zu ertragen, das alles. was aus uns wird, den menschen, den nachbarn. alle reden über sich, ich ja auch. ich bin mir wichtig, es ist sonst niemand hier.
aber das hauen und stechen, das sich seit ostern überall entwickelt. derzeit vor allem rund um den immer noch raren impfstoff, trotz aller versprechungen. jeden tag wird es schlimmer, gerade sind es die eltern, die den größen lärm verursachen. mir werden tipps zugespielt und praxislisten, wie auf einem schwarzmarkt. auf twitter lese ich von lustigen menschen, die auf der suche nach dem geilen stoff von hausarzt zu hausarzt durch die halbe stadt laufen. und sich wundern, dass es da voll ist, beängstigend fast, und die dort arbeitenden menschen unfreundlich, genervt bis ablehnend.
was sagt uns das, global betrachtet, in einer globalen pandemiesituation? ich ahne da wirklich nichts gutes.
ich höre jetzt auf, kein wort mehr über das impfdesaster. (und damit meine ich nicht nur die mangelwirtschaft. die war absehbar, zumindest global.) meine lage kenne ich, die ändert sich ja auch kaum. ob mit oder ohne impfung. draußen ist mehr licht, das ist alles. es ist kalt und ungemütlich in diesem frühling, der kälteste april sein zwanzig jahren oder so. hab ich neulich gehört, ich weiß nicht mehr wo. dann kommt der mai, mein mai, und diese welt ist und bleibt doch unerträglich. nicht nur für mich, vermutlich. oder nicht? um mich geht es hier gar nicht. oder doch?
sehr, sehr müde, aber dennoch schlaflos. die impffrage treibt mich um, dieses ausgeliefert sein und nichts tun können. eine freundin (aus derselben impfgruppe) schreibt, dass sie (irgendwie) einen termin ergattert hat, nächste woche schon. ich freue mich so für sie, es ist dringend. sie schreibt mir, dass ich doch viel gefährdeter sei, gerade wegen der ansteckenderen varianten. und dass ich sicher auch bald drankomme. (weil -> gleiche impfgruppe.) ich denke sofort, dass es bei mir doch egal ist, dass ich ja einfach nur alle kraft gelassen habe, aber kein bisschen gefährdet bin. (was für ein unsinn! gerade die totalerschöpfung gefährdet mich womöglich am meisten.) aber lachen muss ich doch. zwei verschiedenartig autoimmunkranke unterstapeln sich gegenseitig, wie absurd.
tatsächlich bin ich zum ersten mal wirklich in sorge, was eine tatsächliche erkrankung angeht. wenn das alles so weiterläuft oder so laufen gelassen wird, dann rückt mir das doch irgendwie zu nah. also durchaus in den bereich des möglichen, und das wäre mehr als unschön. mit sicherheit, denn auch das müsste ich ja allein regeln. wenn es aber andererseits noch ein paar wochen dauert, bis ich an die impfreihe komme, dann sitze ich ebenso lange mit mir hier zu hause, mehr noch als zuvor womöglich, weil alle anderen, die ich kenne, auch angst bekommen werden. wenn sie das nicht längst schon haben, aus den einen oder anderen gründen. derer gibt es viele, wenn das einfach so weiterläuft. andere wiederum hüpfen draußen herum, kümmern sich um nichts mehr. dann bleibe ich also noch wochenlang oder länger bis in die letzte ecke meines privatlebens hinein ausgebeint ganz auf mich allein gestellt. schlimmer als jemals zuvor vermutlich. (außer als kind.) ich weiß nicht, ob ich das noch (einmal) schaffen kann.
es ist und bleibt ein elend, und die täglichen nachrichten, die ja wichtig sind, ohne frage. man muss es ja wissen, auch ich will wissenschaft. aber die nachrichten derzeit sind ein elende qual, weil nichts passiert. morgen ist karfreitag, menschen werden sterben. und nicht auferstehen, nein. niemand.
zwischenzeitlich sehr wütend gewesen. auf all die dämlichen politiker*innen und den damit zusammenhängenden unsinn der letzten tage. es ist kaum auszuhalten, aber darüber habe ich hier gar nicht erst geschrieben. denn wut ist sinnlos, meistens jedenfalls. wur tut weh, vor allem mir selbst. mehr gibt es dazu nicht zu sage. in diesem fall ganz besonders, denn eigentlich ist es natürlich das virus, das mir die last eines unmenschlichen lebens als solitär auferlegt. wie aber funktioniert wut auf ein virus? das ist absurd!
ich folge der wut, öffne sie, schaue dahinter. in den schmerz, in die angst. die traurigkeit, die den boden öffnet, bis in den tiefsten grund, schreit es hinaus. dieses leben, immer auf messers schneide. immer am abgrund und darüber hinaus, schwebend. das ist das wesen meiner pandemie: dass ich keine angst habe, die im jetzt begründet liegt. dazu geht es zu tief. was ich sehe ist die angst auf der molekularebene meiner seele, begründet in der energetischen ladung der elementaren teilchen dieser welt, aus denen ich geschaffen bin. was ich sehe ist, dass ich nichts bin und niemals war. darauf also kommt es nicht an.
die wut ist verflogen, ebenso die angst und die verzweiflung. es ist nur ein virus, ein kleines programm, das auch nur leben will. etwas in mir kennt dieses simple konzept, das überleben will. nur das. und es gibt musik, das vergesse ich immer. auch etwas, das so sehr auf wiederholung basiert und nur im jetzt existiert. und dennoch ewig ist. ewig in der wirkung auf das wesen mensch.
dort, an dieser stelle, liegt der anfang. der anfang von etwas, das keinen anfang kennt. ebensowenig wie ein ende. seltsamerweise ist das etwas, das meine mutter mir vermittelt hat, als sie von dem großen teich sprach, aus dem ich stamme. (vermutlich nur eine simple vermiedung von aufklärungsgespächen, aber egal.) das ist die schnittstelle, an der ich bin wie dieses virus. nicht lebend, aber auch nicht tot, ich bin. das ist alles.
ich habe angst, ich gebe es zu. dass sich alsbald das querdenken wieder auf den straßen herumtreiben wird, passend zum sich bessernden wetter, um viren zu sammeln und weiterzureichen. dass es dementsprechen zu wirklichen härten kommen wird, hausarrest oder schlimmeres. auch für mich, die ich seit november wieder so gut wie isoliert bin. die ich ohnehin seit einem jahr nur drei menschen regelmäßig sehe, und auch die nur einmal die woche, wenn überhaupt. derzeit pausieren wir wieder, das ist sicher besser. demnächst kaufen wir uns tests für vor den treffen, und eine hat bereits einen impftermin. drei also, drei menschen, mit denen ich nicht wohne. ich wohne mit niemandem, ich lebe mit nichts. ich bin hier, allein, ich bin ein solitär. selbst im sommer waren es nur vier oder fünf menschen mehr, vielleicht. manche davon habe ich auch nur ein einziges mal gesehen, eine davon immer nur draußen. dazu kommen verkäufer*innen, apotheker*innen, mein mechaniker und ärzt*innen, in unregelmäßiger folge, zweimal war ich beim optiker, dreimal beim friseur. im büro war ich so gut wie nie, kolleg*innen habe ich keine mehr. musik, die den ganzen raum füllt, gibt es nicht mehr, auch kein theater, wo körper die geschichten erzählen.
der rest der zeit ist ohne (anderes) leben. es gibt keine resonanz!
es ist viel verlangt, ich sage es noch einmal. ich habe es gleich zu anfang gesagt, vor ziemlich genau einem jahr. es ist unmenschlich viel, zu viel verlangt. und doch mache ich keine kompromisse, immer noch nicht. ich mache keine gefangenen, ich zahle den preis allein. den preis, den ich bestimme.
heute als erstes zum friseur. komisch, als würde ich alles tun, was möglich ist. wie ein idiot, nur weil es wieder möglich ist. aber es war schon auch schön, in einem dieser shabby-schicken neuköllner läden sitzen zu dürfen, wo musik läuft und auch andere menschen sich befinden. fremde menschen, einfach so. alle mit nassen haaren, alle freuen sich und alle reden darüber. ich lache viel, obwohl ich kontaklinsen trage, wegen der notwendigkeit von masken. ich besitze keine brille, die nicht beschlägt, und kein trick, von dem ich gelesen habe, funktioniert. wegen der kontaklinsen also sehe ich mich im spiegel. ich sehe mich überdeutich, das vermeide ich normalerweise, indem ich die brille weglege. aber sogar das geht in ordnung diesmal, ich lache auch darüber. ich lache über mich, wie ich an diesem ort sitze und mich freue darüber.
heimlich denke ich an die schönheit menschlicher gesellschaft, ohne dass es eine verstrickung gibt. nur sein und tun, ein jedes für sich und dabei ganz einfach zusammen. und ich denke auch, dass jetzt jemand meinen kopf anfasst, sicher über dreißig minuten lang. dass mich jemand anfasst.
das leben, wie es jetzt ist, schon so lange: es ist wirklich viel verlangt, denn es ist nicht menschlich. das habe ich gleich gewusst, vor etwa einem jahr bereits habe ich es hier notiert. und ich habe es nicht vergessen, die ganze zeit nicht, das unmenschliche, dem ich auszuweichen versuche. weil ich nicht leben, nicht werden möchte wie früher.
hat das irgendwer mal gesagt, offiziell meine ich? hat jemand auch nur nebenbei erwähnt, dass unmenschlichkeit verlangt ist? weltweit und aus gutem grund, aber das menschsein. was ist mit dem menschsein?
niemals die lüge, heißt es da, im april 2020. ich tue es, weil ich es will, heißt es da. und dass es mich etwas kosten wird, in die notwendige isolation zu gehen, um nicht ständig mit der unmenschlichkeit konfrontiert zu sein. so steht es da.