am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

varianten an migräne

zweimal in dieser woche eine migräneaura erlebt, einmal rechts am dienstag und dann links. migräneaura, das klingt ein bißchen nach supernova, ich weiß. und sieht auch so aus, irgendwie. nur anders natürlich, transparenter und unfassbar. ein wachsendes kritallines gebilde, raumlos, flimmernd und bunt. im grunde also eine ganz lustige sache, zumal bei mir da noch nie eine richtig ausgewachsene migräne nachkam. das ist bei anderen anders, da habe ich echt glück. kann mir einfach nur dieses irreale schauspiel ansehen, das nach zwanzig oder dreißig minuten wie von selbst wieder ins nichts verschwindet.

andererseits hatte ich sowas bisher vielleicht drei- oder viermal. im leben. und nicht zweimal  innerhalb einer woche. mein kopf macht komische sachen mit mir. mal sehen.

nachtrag: im wiki lese ich gerade, daß auren ohne anschließende schmerzphase zum einem typisch männlich sind und zum anderen eine langjährig bestehende migräne in einen solchen zustand übergehen kann.  so ähnlich jedenfalls. egal, nehm ich auf jeden fall liebend gerne, in dieser art, in dieser lustigen bunten form.

migräneplanung

heute sämtliche migränemittel nach und nach aufgegessen. wenn ich morgen nachglühe, dann stehe ich ohne da. außerdem war der aufwand auch noch ohne jeden erfolg. nach 24 stunden scheint sich das tier dann aber von selbst verzogen zu haben. jetzt esse ich eis und suche nach im netz alternativen. vielleicht ein künstliches koma, das wäre nicht schlecht. was nimmt man da? propofol? und gibt es das bei ebay?

migräne, menschlich

manchmal ist meine migräne sanft und nachsichtig. dann taucht sie auf am nachmittag und schaut mir ein wenig zu, kaum daß ich sie bemerke. später schickt sie mich früh ins bett und verwirrt mich mit tiefen träumen von menschen. menschen, die mich woanders hinbringen.

heute migräne. erst nur der druck, dann das auge, irgendwann die unausweichlichkeit. medikation langsam gesteigert, zwischendrin etwas gearbeitet, schließlich das volle programm. hat gewirkt. erst das innere flattern (nebenwirkungen), das man von außen nicht sieht, ich weiß. dann das drücken und pochen unter der schädeldecke. schließlich die erlösung.

jetzt nur noch verspannung im nacken. und abwarten bis morgen.

keine welt

seltsames körpergefühl, medikamentenbedingt. hab mir doch noch die volle dröhnung gegeben, nach der freiverkäuflichen standardvariante zusätzlich das migränekonzept durchgezogen. wobei ich nicht genau weiß, ob man das überhaupt darf.  das war schon das zweite mal in dieser woche. spaß macht das nicht. gut tut das auch nicht.

jetzt also keine schmerzen mehr, dafür dieses seltsame gefühl. dumpf und hohl, als wäre da keine welt mehr in mir.

bei mir

ich beneide menschen, die sich schlafend erholen, auch körperlich. ich schlafe mich derzeit jeden zweiten oder dritten tag in den schmerz. gegen fünf oder sechs spüre ich das dann und wache auf, immer wieder, nur kurz zunächst. ich drehe mich in eine andere richtung, jedesmal, hin und wieder her, die ganze zeit. ich hoffe noch, daß es vorbei geht. daß ich nach einer drehung in die richtige richtung plötzlich schmerzfrei wachwerde. vielleicht. aber das ist noch nie passiert. irgendwann gebe ich auf, ich flüchte vor dem schmerz. heute war das kurz nach sieben. macht knapp fünf stunden schlaf. (schlaf?)

manchmal funktioniert das, als bliebe der schmerz ohne mich einfach liegen. heute ist er bei mir geblieben. (jetzt also schmerzmittel und dann an die arbeit. los.)

nachsicht

schnell noch was erledigen, bevor die migräne richtig zuschlägt. manchmal geht das, meistens ist es keine gute idee. meistens geht es dann erst recht los, mitten im gewühl. hin und wieder muß es trotzdem sein. der brief heute mußte zur post, daran führte kein weg vorbei. also schnell. und dann auch gleich noch ein paar kleinigkeiten einkaufen, kann ja nicht so schlimm sein. dauert ja höchstens zehn minuten.

im gewühl geht es dann los. das licht, der lärm, all die menschen. das war keine gute idee. ich suche mein zeug zusammen, stelle mich an der kasse an. kassen geben seltsame geräusch von sich, außerdem gibt es da ein rotes leuchten, das sonst niemand zu sehen scheint. niemals. ich drücke gegen meinen kopf, suche die richtige stelle, seit jahren schon. ohne sie jemals zu finden. ich halte mir das rechte auge zu, halte mir die ganze rechte seite weg, nicht nur im gesicht. die rechte seite, bis fast runter zur hüfte, könnte mir die mal wer wegschneiden.

da ist aber einer müde, schreit mich die kassierin fröhlich an.

das macht mich hilflos. meint sie mich? bin ich einer? wir sind in neukölln, vermutlich denkt sie ich sei eine dieser (eigentlich ja nicht mehr) jungen kreativen, die die nacht zum tag machen und am tag dann nicht aus der wäsche gucken können. was soll ich sagen? habe ich kopfschmerzen? bin ich krank? geht es sie etwas an? ich weiß nicht, was ich sagen soll. ich sage einfach nichts, ich muß mich auf den kassiervorgang konzentrieren.

jetzt noch nicht, aber unter vollmigräne sehe ich vermutlich aus wie volltrunken. mein reden ist ein lallen, mein hören verschwommen, mein gang. ich weiß nicht, fühlt sich an wie aufrechtes kriechen. aufklären könnte ich das alles dann auch nicht mehr, kommunikation ist nicht möglich. hilfe auch nicht. menschen sind nicht mehr vorhanden, sind in jedem fall unerreichbar. was auch besser ist, sonst käme ich womöglich auf die idee, um meine notschlachtung zu betteln. ist mir schon passiert, mitten in der nacht. aber da war nie wer da. zum glück.

manchmal stelle ich mir vor, wie ich in diesem zustand irgendwo aufgegriffen und in eine gummizelle verbracht werde. zur ausnüchterung. das ist auch so ein vorteil des wohnbüros und der arbeit zu hause, daß ich selbst bestimmen kann, wann ich mich wo in der welt bewege. so ziemlich jedenfalls. hier drinnen ist alles leer, hier kümmert sich niemand. ich ziehe meine schleifen, wenn nötig eben mit einem auge, kriechend. ich erledige meine arbeit immer. wenn nicht heute, dann morgen.

eben, nach abgeschlossenem kassiervorgang – schweigend und schwierig, dieses fiepen, dieses licht – wünscht mir die kassiererin lautstark einen guten tag noch. ihr kopfschütteln danach ahne ich eher, als daß ich es sehe, ich gehe, ich krieche davon. sie lacht dann aber so laut mit dem nächsten kunden über mich, das ich das auch in meinem zustand nicht überhören kann. doch ich höre nicht zu. das ist vorbei.

vor der tür haben sich massen von menschen vor dem gewitter in den eingangbereich des geschäfts geflüchtet. ich flüchte vor ihnen in den regen, der ist rhythmisch, kühl und dunkel. das ist gut.

lebenslernaufgabe für heute: nachsicht üben in einer welt, die niemals nachsichtig ist. (kann ich noch nicht so gut.)

greifbar

das war ja klar, denn vor der katastrophe liegen immer die guten tage, wie zum hohn. heute ist es soweit, mein migränegeier ist wieder einmal hinter mir her. immer ganz dicht hinter mir hockt er, spottet und klagt mir sein leid. tippt mir auf die schulter. tippt mir mit der krummen schnabelspitze sachte in die schmerzende stelle links oben in meinem rechten auge mitunter. lacht mir ins gesicht dabei.

das ist nicht schlimm, sage ich mir ein ums andere mal. das ist alles gar nicht so schlimm, bis jetzt. es gibt schlimmeres. noch ist der geier ein geier, der nach aas giert. und nicht nach mir. kein greif, der nach mir greift. ich warte, ich bin bereit. was immer es ist, es geht vorbei. es geht ja immer vorbei.

nur der aasfresser widerspricht. das hilft dir alles nichts, sagt er ruhig hinten in der ecke hockend – wartend, wissend, lächelnd. glaub ja nicht, daß dir irgendjemand hilft. im leben nicht.

als ob ich das nicht wüßte. wenn ich mich kurz umdrehe sehe ich ihn, seine augen, seinen blick. seine not. er wartet auf den tod.

wir beide, wir kennen uns, gut. wir sind ein fleisch, wir leben noch.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner