am anfang war das wort eine mischung aus wahrnehmung und klang

menetekel

wien lässt mich nicht, diesmal. es taucht als topthema in abendnachrichten bebildert mit der hofburg, an der ich letzten donnerstag noch vorbeigelaufen bin. mit wenig achtung, einfach nur durch, vorbei am volksgarten. und mich, wie immer, gewundert habe, dass diese etwas unwirtliche gegend, mit reitpferdchen immerhin, ausgerechnet heldenplatz heißt. genau da sammeln sich jetzt menschen und schimpfen, zu recht. ich wäre da auch.

zweites thema, die anstehenden deutschen wahlen, drittes thema lindner, anschließend der 6. januar 2021. zu all dem nichts weiter, zusammengenommen ist es unerträglich.

als ich in berlin ankomme, samstag abend, u-bahn neukölln. da nehme ich den fahrstuhl, ausnahmsweise, wegen schwerem koffer und so weiter. ich bin alt genug, denke ich mir als entschuldigung. eigentlich hasse ich fahrstühle. drinnen stehen schon ein kinderwagen mitsamt eltern und eine frau mit einkaufstrolley. ich stelle mich ein bisschen blöd dazu, aber die fahrstuhltür mag nicht zugehen. wohl wegen meines rucksacks, und der mann dirigiert mich in nicht ganz akzentfreiem deutsch ein bisschen weiter in den raum. außerdem solle ich aufpassen mit dem rucksack, ich sei hier in neukölln. das „neukölln“ betont er, so wie es in den nachrichten vorkommt.

ich weiß, sage ich, ich wohne hier.

ja, sagt der mann daraufhin, da sind sie schon qualifiziert.

ich lache ein bisschen, aber innerlich jubelt es in mir. später ärgere ich mich, dass ich nicht geantwortet habe. ihm nicht zu seinem spracherwerb gratuliere, ganz vorsichtig, denn vielleicht nuschelt er ja nur.

aber besser kann man es doch wirklich nicht umschreiben: qualifiziert!

jetzt sitze ich hier. mir ist kalt und trinke ukrainischen tee, der mir persönlich von dort mitgebracht wurde. ich kann nicht lesen, was er enthält. ich kann nur riechen und schmecken. manches ist gut, wenn auch so vieles nicht. das muss man kennen und erkennen und schließlich wissen.

achtung, neukölln

so richtig angst hatte ich hier noch nie, ganz egal, was in den zeitungen steht. wir sind hier kein aufgegebener problemkiez. nein, auf gar keinen fall. es ist wie überall in den städten, nur vielsprachiger. man sieht sich um, besonders als frau. man passt eben auf. ich achte auf meine umgebung, das tue ich immer. und ich sehe sie, die geschäfte und cafés, die irgendwie unheimlich sind. die häßlichen, fetten autos davor, besonders in der nacht. und die männer, die dazugehören.

das ist alltag, ich gehe daran vorbei. und ich achte auf mich.

in letzter zeit ist mir allerdings ein bißchen viel schießerei auf offener straße. zuviel anspannung und angst überall. zuviel geld und gewalt, egal welcher herkunft. nur noch opfer und täter, in ständigem rollenwechsel. am ende dann tote.

aktuell ist es mir dann doch ein wenig unbehaglich hier. leider.

neuköllner proleten

lesung in der buchkönigin, das hatte ich ja im HSB angekündigt. sehr interessanter überblick eines historikers, der mich in nicht wenigen punkten ans ruhrgebiet erinnert hat. also meine eigentliche heimat, so muß ich wohl sagen. proletengegenden, das ist gut. da gehöre ich hin.

die anschließende diskussion wurde dann leider von einem lokalhistorischen besserwissser – jetzt rede ich! – übernommen, sodaß ich frühzeitig flüchten musste und das buch selbst gar nicht mehr ansehen konnte. schade.

neuköllnalltag

die heizung ist aus und die balkontür steht offen, den ganzen tag schon. von draußen dringen gentrifikationsgeräusche herein, rollkofferrollen und gehämmer. penetrant ist die dielenschleiferei von gegenüber, die vor drei stunden eingesetzt hat. eigentlich vor drei tagen schon, aber die sind wohl immer noch nicht fertig. und es ist ja nicht so, daß ich das nicht auch gemacht hätte, gleich als erstes, als ich vor acht jahren herkam.

nichtsnutz

ach, da gehe ich oft aus, sagt die junge frau, nachdem ich ihr erzählt habe, daß ich in neukölln wohne. soweit ist es also gekommen, in knapp acht jahren.

ich meine, ich benutze die alte rechtschreibung. das sagt doch alles. ich halte mich daran, obwohl selbst ich sie langsam zu vergessen geginne. also was will ich denn bloß hier, bei den jungen kreativen nichtsnutzen? ach stimmt, das ist es. wir sind nichtsnutze, alle zusammen.

warum? darum!

mein neukölln schickt sich derzeit an, eine ganz eigene art der straßenkunst zu entwickeln. ich kenne mich da ja nicht so aus, aber es scheint vieles ineinander überzugehen, mit der zeit ergänzt und erweitert zu werden. vielleicht sollte ich dem mal nachgehen und die gleichen stelle noch einmal in ein paar tagen oder wochen dokumentieren. mal sehen.

einstweilen freue ich mich an der kreativen freude um mich herum. gibt ja auch genug verdreckte dreckecken hier.

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